: Die Plattmacher von Pankow
■ Bahnkonzern Adtranz will sein hochmodernes, erst 1997 eröffnetes Werk in Pankow ersatzlos schließen. Senat hatte 350 Arbeitsplätze mit 17 Millionen Mark subventioniert. IG Metall befürchtet Umwandlung in Dienstl
Als die Montagehallen mit der buntlackierten Stahlkonstruktion und dem modernen Design im April 1997 eingeweiht wurden, jubilierte der Adtranz-Geschäftsführer: „Mit der modernsten Musterfabrik Europas bekennen wir uns zur Region Berlin-Brandenburg.“ Jetzt, ein Jahr später, ist nichts davon mehr wahr. Gestern gab die Konzernleitung bekannt, die 60 Millionen Mark teure Fertigungsstätte mit 346 Beschäftigten schließen zu wollen. Daran können offenbar auch die 17 Millionen Mark nichts ändern, die Adtranz aus öffentlichen Fördertöpfen eingestrichen hat.
„Eine Riesensauerei“, empört sich Kurt Hager, Chef der IG Metall. Auch CDU-Wirtschaftssenator Elmar Pieroth ist nach Angaben seines Sprechers Michael Wehran „völlig überrascht“. Der düpierte Senator will sich nun zwecks eingehender Information mit den Konzernherren treffen – auch, um sich die 17 Millionen wiederzuholen.
Adtranz, eine Tochter von ABB und Daimler-Benz, stellt mit rund 25.000 Beschäftigten weltweit (7.400 in Deutschland) vom Schnellzug bis zur Straßenbahn alles her, was auf Schienen rollt. Nach der Vernichtung von 1.100 Stellen in der Bundesrepublik sollen jetzt noch mal 1.400 MitarbeiterInnen abgefunden oder entlassen werden – rund die Hälfte in Berlin und Brandenburg. 200 Jobs in Pankow sollen ganz wegfallen, die restlichen ins Werk nach Henningsdorf verschoben werden. Dort müssen von rund 3.000 Beschäftigten zusätzlich 450 Leute gehen. Adtranz begründet den Kahlschlag in Pankow mit „den enorm hohen Fixkosten“. Mit dem Bau der Anlage war vor der Gründung des neuen Adtranz-Konzerns begonnen worden, so daß die Schließung nicht selbstverschuldet sei, sagte gestern Adtranz-Sprecherin Elke Hasenecker. Sie kündigte an, daß die Unternehmensleitung nun mit dem Betriebsrat über die Pläne verhandeln wolle.
Der geplante Exitus von Pankow ist nicht nur ein eklatanter Beleg dafür, daß sich die Reduzierung von Industriearbeitsplätzen selbst in den hochentwickeltsten Branchen der Stadt fortsetzt. Er ist zugleich ein herber Schlag für die Strategie des Senats, Berlin mit Hilfe global agierender Konzerne wie Adtranz, Siemens und Bombardier zu einem Zentrum der Verkehrstechnik zu machen. In diesem Bemühen erteilte die BVG unlängst noch einen lukrativen Auftrag für die Herstellung von Straßenbahnen an Adtranz – offenbar vergebens.
Mit der Adtranz-Mutter ABB mußten Wirtschaftssenator Pieroth und die IG Metall in den vergangenen Monaten bereits mehrmals verhandeln. Direkt neben dem Bahnwerk steht nämlich die ABB-Montagehalle für Kraftwerksteile, die ebenfalls geschlossen werden sollte. Nachdem man sich dort zunächst auf die Fortführung der Produktion mit verringerter Belegschaft geeinigt hatte, sieht Metaller Kurt Hager jetzt doch wieder den gesamten Fabrikkomplex gefährdet. Im Hintergrund stehe immer die Absicht der Unternehmen, ihre Industrieflächen in gewinnträchtige Dienstleistungsareale für Sportcenter, Büros und Geschäfte zu verwandeln. „Wir wollen wissen, ob die komplette Umwidmung des Geländes geplant ist“, sagt auch der Sprecher des Wirtschaftssenators. Hannes Koch
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