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Größtes deutsches Wasserwerk wird privatisiert

■ Die Berliner Wasserbetriebe sollen zu 49 Prozent verkauft werden. Wasserwirtschaftsverband vermutet, daß Privatisierungen aus Geldnot zunehmen werden. Grüne fürchten höhere Gebühren

Berlin (taz) – Das größte Wasser- und Abwasserunternehmen Deutschlands, die Berliner Wasserbetriebe (BWB), steht kurz vor seiner Privatisierung. Gestern abend (nach Redaktionsschluß) wollte die Senatskoalition aus CDU und SPD die endgültige Entscheidung fällen. Nachdem die Parteibasis der SPD am Montag nach anderthalbjähriger Ablehnung grünes Licht gegeben hatte, stand der Umwandlung der BWB (11,5 Milliarden Mark Bilanzsumme 1997) in eine Aktienholding nichts mehr im Wege. 51 Prozent der privatrechtlichen Holding sollen im Staatsbesitz bleiben, während das Land 49 Prozent an private Investoren verkaufen will.

Diese Privatisierung könnte bundesweit zum Vorbild werden. Solche Verkäufe „aus Haushaltsgründen“ würden zunehmen, prognostiziert Ulrich Oehmichen vom Bundesverband der Gas- und Wasserwirtschaft (BGW). Viele Kommunen sind finanziell am Ende, und der Verkauf der Wasserwerke schafft Erleichterung. In Berlin jedenfalls wurde die Privatisierung aus der puren Not geboren: SPD- Finanzsenatorin Annette-Fugmann Heesing hat den geplanten Verkaufserlös von zwei Milliarden Mark, ohne den der Haushalt 1998 nicht zu decken ist, bereits fest eingeplant. Den Startschuß für eine große Privatisierungswelle der bundesdeutschen Wasserwirtschaft vermag Experte Oehmichen trotz der außergewöhnlichen Größenordnung des Berliner Geschäfts jedoch nicht zu erkennen. Schließlich habe der Bundestag die Liberalisierung der Wasserwirtschaft nach dem Modell der Energiebranche gerade abgelehnt.

Zunächst waren die Privatisierungswünsche der Landesregierung auf dem Widerstand von ÖTV, Personalrat, der SPD-Linken und der Bündnisgrünen gestoßen. Bis auf letztere sitzen nun alle mit mit Koalitionsboot. ÖTV und Personalrat stellten ihre Gegenwehr ein, nachdem CDU-Wirtschaftssenator Elmar Pieroth vorgeschlagen hatte, die bisherige Rechtsform der Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) zu erhalten und nur die zu gründende Holding teilweise zu verkaufen. Die Holding bekommt die Rechtsform einer Aktiengesellschaft und wird alleinige Besitzerin der Anstalt. Durch dieses Konstrukt bleiben die althergebrachten Rechte und Sozialleistungen für viele der 6.580 Beschäftigten erhalten.

Die KritikerInnen in der SPD ließen sich unter anderem durch die Zusage der Fraktionsführung befriedigen, Aktien nicht nur an einen, sondern an mehrere Konzerne zu verkaufen, um den privaten Einfluß in Grenzen zu halten. Der bündnisgrüne Wirtschaftssprecher Vollrad Kuhn bemängelt dagegen, daß auch bei diesem Modell die Bevölkerung mit einer Steigerung der Wasserpreise rechnen müsse. Hannes Koch

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