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Die Bevölkerung will kämpfen

■ Selbst in den noch nicht von Kämpfen bedrohten Gebieten wächst die Bereitschaft zur militärischen Auseinandersetzung

Auf die Frage „Was soll aus Kosovo werden“ haben die Menschen in den „befreiten Gebieten“ des Kosovo, dort wo die serbische Staatsmacht nicht mehr existiert, nur eine Antwort: „Wir kämpfen für die Unabhängigkeit.“ Die serbische Herrschaft sei nicht mehr zu ertragen. „Und wenn ich der nächste Kosovo-Albaner bin, der im Kampf sterben wird, ich werde kämpfen“, sagte ein junger Mann, der gerade 20 Jahre alt geworden ist, kürzlich bei einem Besuch in Malishevo. Nach all dem, was passiert ist, nach der Zerstörung der Stadt Decani und den umlegenden Dörfern, gibt es für ihn jetzt kein Zurück mehr. „Mit den Serben kann ich nicht mehr zusammenleben.“

Anders klingen die Aussagen von UCK-Kämpfern in der von Kosovaren gehaltenen und von serbischen Soldaten eingeschlossenen Stadt Junik. Tag und Nacht von serbischen Scharfschützen bedroht, hofften sie vor wenigen Tagen noch immer auf eine Aktion der Nato. „Wenn die Nato uns hier befreit, werden wir auch den politischen Bedingungen zustimmen, die von der internationalen Gemeinschaft aufgestellt werden“, sagte einer der Kämpfer unter dem zustimmenden Kopfnicken seiner Kameraden.

Selbst in den von den Kämpfen noch nicht betroffenen Städten hat sich die Stimmung unter der albanischen Mehrheit radikalisiert. Zwar haben die Menschen Angst, durch die Kämpfe ihre Häuser und Geschäfte zu verlieren, aber der Satz „Wir können nicht länger als Sklaven leben“ wird nicht nur von jungen Männern ausgesprochen. Auch Frauen bezeichnen sich immer öfter als Anhängerinnen der UCK. Die Mittelstandsfamilien versuchen zwar zur Sicherheit Geld ins Ausland, vor allem nach Makedonien, zu bringen, nur wenige jedoch entschließen sich, das Land zu verlassen. „Wir wollen für unsere Unabhängigkeit kämpfen.“ Politischer Ausdruck für diesen Stimmungswandel ist die Erklärung des Präsidenten der KosovoAlbaner, Ibrahim Rugova, von vergangener Woche, in der er den Wunsch der Albaner nach Unabhängigkeit vom serbischen Staat wiederholte. Schon seit seinem Amtsantritt 1992 suchte er für diese Forderung das Gespräch mit Belgrad, doch die Verhandlungsbereitschaft zahlte sich nicht aus. Im Gegenteil. Im Mai griffen die serbischen Einheiten Dörfer und Städte an. Der internationale Druck, Verhandlungen einzuleiten, stellte sich als Schuß nach hinten heraus. Und zwingt jetzt Rugova, klare Positionen einzunehmen.

Je mehr die Hoffnungen schwinden, eine „Verhandlungslösung“ sei möglich, desto stärker wird die UCK. Die Männer der von den serbischen Streitkräften angegriffenen Dörfer und Städte – die Frauen und Kinder wurden zumeist evakuiert – sowie jene der „befreiten Regionen“ sind jetzt allesamt für die kosovo-albanische Befreiungsarmee mobilisiert. Noch ist diese nicht in der Lage, den Kosovo militärisch zu befreien, mehr und mehr jedoch dazu, Dörfer und Regionen zu verteidigen.

Je stärker sie wird, desto mehr ist ihr Anspruch auf ein unabhängiges Kosovo von der internatioanlen Gemeinschaft ernst zu nehmen. Wenn die Kontaktgruppe das Rad zurückdrehen und auf einem Autonomiestatus des Kosovo in Serbien beharren will, setzt sie sich in Gegensatz zur kosovo-albanischen Bewegung. Erich Rathfelder, Sarajevo

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