: Stoiber sagt ja zur Kernenergie
■ Der bayerische Ministerpräsident konkretisiert seine Absage an "neue Atomkraftwerke". AKW-Ersatzbauten sollen in Bayern weiter möglich sein. Grüne werfen ihm Wahlbetrug vor
Hannover (taz) – Der bayerische Ministerpräsident Edmud Stoiber, der am vergangenem Wochenende den Bau neuer AKWs im Freistaat definitiv ausgeschlossen hatte, legte gestern ein neues Bekenntnis zur Atomkraft ab. „Wir sagen weiter ja zur Kernenergie“, sagte der CSU-Politiker.
In Bayern stammen zwei Drittel des Stroms aus Atomkraftwerken, und dabei werde es auch bleiben, versicherte Stoiber. Mit seiner Äußerung, Bayern brauche mit absoluter Sicherheit kein zusätzliches Atomkraftwerk, habe er nur der absehbaren Entwicklung des Strombedarfs Rechnung getragen. Offen ließ Stoiber die Frage, ob die vorhandenen bayerischen Atommeiler eines Tages durch neue AKW ersetzt werden können. Darüber lasse sich derzeit keine Aussage machen, sagte er.
Noch weiter ruderte gestern der stellvertretende CSU-Generalsekretär Joachim Herrmann zurück. Die bayerische Absage an zusätzliche AKW tangiere die Entwicklung des Europäischen Druckwasserreaktors (EPR) keineswegs, sagte er. Wenn ein bereits bestehender bayerischer Reaktor abgeschaltet werde, könne „am gleichen Standort“ ein deutscher Prototyp des EPR zugelassen werden.
Ähnlich sieht das der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Walter Hirche. „Daß keine zusätzlichen Kernkraftwerke geplant sind, ist eine Binsenweisheit. Ersatzbauten haben die Bayern jedoch nicht ausgeschlossen“, sagte er gegenüber der taz. Es sei davon auszugehen, daß der EPR zunächst vom Bundesamt für Strahlenschutz standortunabhängig geprüft wird. Ein deutsch-französischer Prototyp könne auch in Frankreich gebaut werden. Auch eine Sprecherin von Siemens in Erlangen, wo der der Reaktor mitentwickelt wird, befürwortete gestern weiter ein deutsches Prüfverfahren: „Das deutsch-französische Projekt muß nicht unbedingt zuerst in Deutschland verwirklicht werden.“
Nach Ansicht des Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag, Joschka Fischer, erleichtert der bayerische Verzicht einen Energiekonsens nach der Bundestagswahl. Die umstrittene Frage der Option auf den Bau neuer Atomkraftwerke sei in Deutschland erledigt. Skeptischer zeigte sich die Grünen-Landtagsabgeordnete Irene Sturm. Nach dem Castor-Skandal sitze der CSU zwar die Angst vor einem sehr schlechten Wahlergebnis im Nacken, trauen könne man Stoibers Ankündigungen jedoch nicht: „Da AKW-Ersatzbauten möglich bleiben sollen, wird hier schon der Wahlbetrug vorbereitet.“ Jürgen Voges
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