: Hashimoto abgewählt
Japans Wähler erteilen der Liberaldemokratischen Partei bei den Oberhauswahlen eine Abfuhr. Der Rücktritt von Premier Hashimoto wird für heute erwartet ■ Aus Tokio André Kunz
Entgegen allen Prognosen sind am Sonntag 58 Prozent der japanischen Wähler an die Urnen gegangen und haben deutlich ihre Unzufriedenheit über die verfehlte Wirtschaftspolitik der Regierung ausgedrückt. In den Teilwahlen zum Oberhaus erreichte die Liberaldemokratische Partei (LDP) von Premier Ryutaro Hashimoto nach Prognosen der großen Fernsehsender weniger als 50 statt bisher 61 der 126 zur Wahl stehenden Sitze. LDP-Generalsekretär Koichi Kato sagte in einem ersten Interview, das Wahlergebnis werde von der LDP als Mißtrauensvotum aufgefaßt.
Ziel des seit Januar 1996 regierenden Premiers Hashimoto war es gewesen, mindestens 69 Sitze zu gewinnen, um so auch im Oberhaus die Mehrheit zu erlangen. Im mächtigeren Unterhaus besitzt die LDP mit 262 von 500 Sitzen bereits eine Mehrheit. Aus konservativen LDP-Kreisen verlautete, Hashimoto werde seinen Rücktritt voraussichtlich heute erklären. Damit dürfte sein für den 21. Juli geplanter Staatsbesuch in Washington ausfallen. Japans Premier wollte dort mit US-Präsident Bill Clinton über Wege aus der Wirtschaftskrise beraten. Als ein potentieller Nachfolger Hashimotos gilt der bisherige Außenminister Keizo Obuchi. Doch auch ihm trauen Beobachter kaum zu, die nötigen Reformen durchzuführen.
Japan, das in der schwersten Wirtschaftskrise seit 1973 steckt, muß in den nächsten Monaten schmerzhafte Strukturreformen verwirklichen. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit, ein unsicheres Finanzsystem und die Sorge, von der Asienkrise noch tiefer in die Rezession gedrückt zu werden, haben die städtischen Wähler an die Urnen gedrängt. Sie gaben ihre Stimmen an die Demokratische Partei (DPJ) unter dem charismatischen Führer Naoto Kan. Die DPJ kann mit einer Verdoppelung ihrer Sitze von gegenwärtig 18 auf 36 rechnen. Kan erklärte, seine Demokraten wollten den Wahlsieg nutzen, um ihr Netzwerk in den lokalen Gemeinden weiter auszubauen, um dann auch die nächsten und wichtigeren Unterhauswahlen gewinnen zu können.
Von Proteststimmen aus der Arbeiterschaft hat auch die Kommunistische Partei profitiert, die sich in den vergangenen Jahren in eine Partei mit sozialdemokratischen Zügen verwandelt hat. Sie kann jetzt mit einer Verdreifachung ihrer Mandate von 6 auf 18 Sitze rechnen. Auch die unabhängigen Kandidaten werden ihre Sitzzahl von 7 auf über 22 verdreifachen können. Dagegen haben die Sozialdemokraten von Takako Doi und die Liberalen von Ichiro Ozawa wie die LDP eine Abfuhr erhalten. Ihre Sitzzahl wurde mehr als halbiert.
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