: Einstein und die Dinosaurier
Beim Kunsthallen-Malkurs lernen selbst Karpfen den Umgang mit Bleistiften ■ Von Lisa Schönemann
Zwischen den Feuerlilien raschelt es verdächtig. Eine Truppe kichernder FerienbotanikerInnen sucht den Boden nach Blütenblättern ab. Jutta wird es zu blöd: „Eigentlich sollen wir nur die runtergefallenen Blumen nehmen“, sagt die Siebenjährige, rupft verstohlen ein Lilienblatt ab und grinst. Im Gänsemarsch spazieren die Kinder ins nächstgelegene Gewächshaus des Botanischen Garten. Unterwegs entdecken sie eine Tanne, die wie ein Tier geformt ist. „Ein Dino“, johlt Sarah, und identifiziert den Tannenbaum mit dem langen Hals als Stegosaurus.
Es ist Montagmorgen und das Ferienprogramm der Kunsthalle im Botanischen Garten hat gerade begonnen. „Der Physiker Albert Einstein hat einmal gesagt, daß man Respekt vor der Natur haben soll, aber nicht unbedingt vor den Autoritäten“, umreißt Museumspädagoge Rainer Müller die Zielsetzung der Ferienaktion. 85 Kinder stürmen in den Botanischen Garten. Nach Altersgruppen getrennt werden sie in Gruppen wie „Feuerlilien“ und „Sumpfzypressen“ aufgeteilt, um „die Natur in der Kunst wiederzufinden“. Jede Gruppe bekommt eine(n) MuseumspädagogIn zur Seite gestellt.
Den Kindern ist das wurscht. Alsbald fliegen Rucksäcke und Jacken in eine Ecke des Gewächshauses. Die ersten „Feuerlilienblütenblätterzeichnungen“ werden maßstabsgetreu zu Papier gebracht. Die Museumspädagogin murmelt etwas von „Gelb- und Orangetönen“. Und da sich das wahre Feuerliliengelb nur vor Ort erfassen läßt, stürmen zehn Kinder alsbald wieder nach draußen und bleiben erneut beim Stegosaurus hängen. Irgendwie wäre es viel spannender, einen Dino zu malen.
Die Pädagogin verspricht, morgen Ton herbeizuschaffen, auf das viele kleine Saurier entstehen. „Aber nun zurück zu den Feuerlilien.“ Hinter dem Lilienbeet liegt unglücklicherweise der Seerosenteich. Und Seerosen, schreit Carmen, sind ja „soo schön“. Also verkrümeln sich immer mehr Sieben- und Achtjährige auf den langen Holzsteg, um Seerosen, Goldfische und Enten zu bewundern.
Dann eben Seerosen. Blätter und Stifte werden eilig auf den Steg transportiert. Es zieht wie Hechtsuppe und die Bleistifte kullern zwischen den Holzbohlen hindurch ins Wasser. „Die können ja Schwimmen“, entdeckt Marcel. Die Betreuerin möchte die Aufmerksamkeit der Kinder auf die „besondere Form der Seerosenblätter“ lenken. Doch als die ersten Karpfen auftauchen, um nach den Bleistiften zu schnappen, liegen immer mehr Kinder auf dem Bauch und beobachten das Spektakel. Unterdessen weht der Wind die Zeichnungen in den Teich.
„Ein geiler Malkurs“, findet Benjamin und hat die volle Zustimmung der anderen Kinder. Alle sind emsig damit beschäftigt, Stifte aus dem Wasser zu fischen. „Paßt auf!“, fleht die Museumsfrau und hofft insbrünstig, das keines in den See fällt. „Die Karpfen müssen vor der Bleivergiftung gerettet werden“, feuert Marcel die anderen an. Kinder im Einklang mit der Natur. Ob Einstein sich das so vorgestellt hat?
Im Malkurs gibt es noch freie Plätze unter Tel.: 2486-3180
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