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"Wir wollen nach oben"

■ Beim FC Union waren preußische Prinzipien angekündigt. Jetzt reiben selbst eingefleischte Unioner sich nur noch verwundert die Augen

Hurra, wir leben noch! verkündete im April Präsident Heiner Bertram, dessen Fußballklub 1. FC Union monatelang am Rande des Konkurses getaumelt war. Bei der Rettung in höchster Not durch den Münchener Medien-Manager Michael Kölmel, der die drängendsten Schulden von zirka 2,5 Millionen Mark beglich, schworen sich Funktionäre und Fans des Köpenicker Traditionsklubs: Jetzt wird alles anders und damit besser.

„Wir werden nach preußischen Prinzipien wirtschaften und keine finanziellen Abenteuer mehr eingehen“, schwor Bertram, dessen Amtsvorgänger zeitweise sagenhafte 14,5 Millionen Mark Schulden angehäuft hatte. Statt namhafte und damit teure Spieler einzukaufen, sollten fortan vereinseigene Talente und preisgünstige Balltreter aus der Region zum Zuge kommen, um die Kosten zu senken. Zumindest wurde dies im April hoch und heilig versprochen.

Ein Vierteljahr später reiben sich selbst eingefleischte Unioner verwundert die Augen. Die Neuzugänge für die im August beginnende Spielzeit sind weder unbekannte Hoffnungsträger aus der Region, noch sind sie billig.

Peter Közle, der bekannteste neue Name, sorgte in der Bundesliga (Bochum, Duisburg) für Schlagzeilen. Auch Makedoniens Nationalstürmer Vanco Micevski, Leo Maric (Braunschweig), Ivica Simunec (von Bundesliga-Aufsteiger Nürnberg) sowie die Zwickauer Jens Härtel und Steffen Mneze gehören in die Kategorie „gestandene Profis“.

Die Klub-Führung versucht aufkommende Zweifel an der Seriosität des Shoppings zu zerstreuen. „Finanziell gehen wir kein Risiko ein, unser Partner garantiert den Saison-Etat von drei Millionen Mark“, beteuert Aufsichtsrat Jürgen Dubois.

„Kinowelt“-Kölmel, der mit dem Ankauf von Filmrechten reich wurde, spekuliert auf eine lukrative Renaissance von Ost- Klubs. Von den aussichtsreichsten Kandidaten aus der untergegangenen DDR zählt Union, der populäre Antipode des erfolgreichen Stasi-Vereins BFC Dynamo, zweifelsfrei zu den profitträchtigsten. „Dieser Verein genießt einen Kultstatus, der Name Union ist auch im Westen bekannt“, schwärmt Kölmel, der ansonsten damit prahlt, von Fußball keine Ahnung zu haben. Dafür weiß der gebürtige Karlsruher um so mehr über Public Relations. Neben den sportlichen Einkäufen zog er Nina Hagen an Land. Die Rockröhre mit DDR-Vergangenheit soll die neue Klub-Hymne „Eisern Union“ intonieren und im August beim Heimspiel gegen den VfB (früher: Lokomotive) Leipzig live im Köpenicker Stadion „Alte Försterei“ präsentieren.

Für ein Jahr hat sich der Münchener Selfmademan an Union gebunden, ein Vertragswerk über weitere fünf Jahre Zusammenarbeit liegt bereits bei den Juristen. Aus reiner Nächstenliebe ist Kölmel aber nicht eingestiegen. Von den Einnahmen der neugegründeten Marketing GmbH kassiert er 70 Prozent, der Rest geht an Union.

„Wir wollen nach oben“, daraus machen Präsident Bertram und Sponsor Kölmel kein Hehl. Falls es nächste Spielzeit mit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga (wohin gerade Lokalrivale Tennis Borussia entrückt ist) nicht klappen sollte, peilt der DDR-Pokalsieger von 1968 den ersehnten Sprung ins bundesdeutsche Profilager zur Jahrtausendwende an. Jürgen Schulz

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