Von Klimaschutz und Mauerfall

■ Umweltministerin will Vorwürfe entkräften, Deutschland verdanke Klimaschutzerfolge allein dem Zusammenbruch Ost

Berlin (taz) – Angela Merkel (CDU) wollte endlich das Stigma loswerden, den Satz entkräften, der ihr ständig von ihren Kritikern entgegentönt: „Deutschland hat gut reden beim Klimaschutz, es verdankt doch seine Minderung des Kohlendioxidausstoßes nur dem Fall der Mauer.“ So oder so ähnlich lästern Umweltschützer und ausländische Diplomaten gerne, wenn sich die Bundesumweltministerin als Klima-Vorkämpferin darstellt und stolz die bisherige Minderung von 12,4 Prozent seit 1990 präsentiert.

Also gab sie eine Studie beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und beim Fraunhofer-Institut für Systemtechnik in Auftrag. Das Ergebnis faßte die Ministerin gestern in Bonn zufrieden so zusammen: „Die Untersuchungen belegen, der Rückgang der Kohlendioxidemissionen ist nicht allein auf den wirtschaftlichen Zusammenbruch in den neuen Ländern zurückzuführen.“

Zwischen 1990 und 1995 ging der Kohlendioxidausstoß in den neuen Ländern um 44 Prozent zurück, in den alten stieg er dagegen um 2 Prozent an. Genau dieser lang bekannte Umstand nährte den häßlichen Verdacht gegen Merkels Politk. Nun belegt die neue Studie, daß die Minderung im Osten nicht allein auf dem Ausfall von Produktion beruht: Im Gegenteil, seit 1992 wuchs dort die Wirtschaft wieder. 1995 verkaufte der Osten schon sieben Prozent mehr Waren und Dienstleistungen als 1990.

Auch der Zuwachs des Kohlendioxidausstoßes im Westen relativiert sich etwas, wenn man berücksichtigt, daß dort die Bevölkerung (auch durch Zuzug aus der Ex- DDR) um drei Millionen zunahm. So wurden, pro Kopf gerechnet, auch im Westen drei Prozent weniger ausgestoßen.

Die enorme Einsparung im Osten geht vor allem auf den Ersatz der Braunkohle durch Energieträger wie Gas zurück, das beim Verbrennen nur halb so viel Kohlendioxid pro Energieausbeute freisetzt. Der Verbrauch von Braunkohle in Zimmeröfen und Kraftwerken ging in den fünf Jahren um zwei Drittel zurück. Außerdem wurden die Kraftwerke moderner und Kamine durch Zentralheizungen ersetzt sowie Hauswände wärmegedämmt. Dies zusammen brachte den Löwenanteil der Einsparungen im Osten.

Nur ein Viertel der Einsparungen kommt aus der Industrie. Die meisten Grundstoffproduzenten konnten der Konkurrenz aus dem In- und Ausland nicht widerstehen, so die Studie. Es sind aber besonders energieintensive Branchen, die da pleite gingen.

So ist es nicht sehr verwunderlich, daß, trotz des Wirtschaftswachstums im Osten, der Kohlendioxidausstoß zurückging. Diese Einsparungen sind also kaum als politischer Erfolg der Bundesregierung zu werten. Die Umweltministerin kann es drehen und wenden, wie sie will: Sie hat zwar recht, daß ihr nicht alle Einsparungen mit dem Fall der Mauer quasi in den Schoß fielen, nur weil weniger produziert worden wäre. Doch die Einsparungen in den Kraftwerken und Haushalten durch die bessere West-Technik waren auch kaum vermeidbar. Mit der ehemaligen DDR entstand ein großes und billiges Einsparpotential – insofern profitierte der deutsche Klimaschutz natürlich von der Vereinigung.

Und er wird es weiter tun: Noch 1995, so zeigt Merkels Studie, wurde im Osten, bezogen auf die Wirtschaftsleistung, 80 Prozent mehr Energie verbraucht als im Westen. Allerdings wird dieses Potential viel schwerer zu erschließen sein als bisher. Die Zeit der leichten Einsparungen ist vorbei.

Berücksichtigt man den milden Winter, lag 1997 der gesamtdeutsche Kohlendioxidausstoß wieder um ein halbes Prozent über dem von 1996. Die von Bundeskanzler Helmut Kohl versprochene Minderung von 25 Prozent bis 2005 ist aber erst zur Hälfte geschafft. Woher der Rest kommen soll, ist unklar. Merkel gibt sich zuversichtlich, es schaffen zu können. Dazu schrieb das DIW im Februar: „Alle Prognosen, die vorgelegt worden sind, sprechen dagegen.“ Matthias Urbach