■ Filmstarts à la carte: Die Angst vor dem Imaginären
Handwerk besitzt goldenen Boden – so könnte man die Hollywood-Karriere des französischen Regisseurs Jacques Tourneur wohl am besten charakterisieren. Neben „Casablanca“–Regisseur Michael Curtiz gehörte er zu den inspiriertesten Technikern der Traumfabrik: Aus schlechten Drehbüchern gute Filme zu machen, war seine Spezialität. Bekam er einmal den richtigen Stoff und exzellente Schauspieler, schuf er wahre Perlen des Genrekinos wie den Piratenfilm „Anne of the Indies“, den Horrorklassiker „I Walked with a Zombie“ oder den „Noir“-Detektivfilm „Out of the Past“. Oft entwickelten Tourneurs Filme außergewöhnliche Perspektiven: So erzählt „Anne of the Indies“ bei allen genretypischen Elementen wie Seeschlachten und Degenduellen doch vor allem die Geschichte einer Frau, die als Anführerin einer Männerhorde scheitern muß, als sie sich erstmals ihres Geschlechtes bewußt wird und sich verliebt.
Auch die Modezeichnerin Irena in „Cat People“, den das Filmkunsthaus Babylon jetzt in seiner Reihe mit Werken des phantastischen Kinos zeigt, bekommt Angst vor ihrer erwachenden Sexualität: Sie verschanzt sich gegenüber ihrem frisch angetrauten Gatten hinter Legenden ihrer serbischen Heimat, nach denen sie beim Austausch von Zärtlichkeiten oder bei aufwallender Eifersucht zum Panther werden könne.
„Cat People“ entstand 1942 bei RKO für den Produzenten Val Lewton, der ein für die damalige Zeit revolutionäres Konzept verfolgte: Horror ohne Monster. Und so entsteht die Angst allein in der Imagination des Zuschauers, hervorgerufen von geschickt eingesetzten Licht- und Toneffekten.
Am berühmtesten ist die Sequenz im Schwimmbad geworden, in der sich eine von Irena eifersüchtig verfolgte Arbeitskollegin ihres Mannes vor mysteriösen Geräuschen in ein leeres und irreal beleuchtetes Schwimmbecken flüchtet. Die bewegte Wasseroberfläche reflektiert das Licht auf die Wände des Bades: Ein ganzes Meer tanzender Schatten treibt die Frau in eine zunehmende Panik – bis Irena die Deckenbeleuchtung einschaltet. Irena, das ist die gefährlich charmante Simone Simon, die in ihrem wohl besten amerikanischen Film im Verlauf der Handlung immer katzenartiger erscheint. Schließlich hockt sie nach der Trennung von ihrem Gatten im schwarzen Kleid zusammengekauert auf dem Sofa und fährt die Krallen aus: Noch fällt ihr nur die Stoffbespannung zum Opfer.
im Babylon–Mitte
Zu guter Letzt noch ein dreifaches Hurra auf eine der verläßlichsten Institutionen des deutschen Fernsehens, die Augsburger Puppenkiste. Schwer einzuschätzen, wieviele Generationen sich mittlerweile von dem Marionettentheater mit Geschichten vom Urmel, vom Räuberhauptmann Bill Bo oder auch von Jim Knopf und Lukas, dem Lokomotivführer verzaubern ließen. Spaß macht es jedenfalls auch noch in der zehnten Wiederholung. Das Zeughauskino zeigt in seiner Kinderkino-Reihe jetzt noch einmal den kompletten „Jim Knopf“: Also nichts wie ab auf die kleine Insel Lummerland, wo der telefonierwütige König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte milde regiert und uns die Dampflokomotive Emma mit dem Wunder ungeschlechtlicher Reproduktion verblüfft. Da weiß man, was man hat. Guten Abend.
im Zeughauskino
Lars Penning
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen