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■ Deutsche Vereine: Die Sportsfreunde der Sperrtechnik e.V.Meditatives Knacken

Leipzig (dpa) – Seinen Briefkasten öffnet Gunnar Franke schon aus Trainingsgründen stets ohne Schlüssel. Der 26jährige gehört zu den „Sportsfreunden der Sperrtechnik Deutschland e.V. Ortsgruppe Leipzig“. Die Mitglieder nennen ihr Hobby „Lockpicking“ – dabei geht es darum, Schlösser ohne Gewalt zu öffnen. Acht „Schloßöffner“ machen in Leipzig mit, zweimal im Monat treffen sie sich zum Training. „Die Dekodierung eines Schlosses ohne Schlüssel und ohne Zerstörung zu vollziehen, das ist wie Meditation“, schwärmt Johannes Markmann, Sportgruppen-Repräsentant des Vereins mit Sitz in Hamburg. „Man lernt Geduld, Ausdauer und trainiert sein Feingefühl.“

Vor der Eintragung ins Vereinsregister mußte noch eine Anfrage des Landeskriminalamts Hamburg beantwortet werden, dann stand der Gründung des Klubs im vergangenen Jahr nichts mehr im Wege. „Wir sind keine halbkriminellen Technikspinner. Zu unserem Ethos gehört es, niemals eine Tür aufzumachen, wenn du nicht darum gebeten worden bist“, sagt der 32jährige Markmann.

Die Werkzeuge zum Öffnen der Schlösser heißen in der Fachsprache Sportgerät und sind nicht frei verkäuflich. Die Grundausstattung aus Haken, Diamant, Schlange und Spanner kostet etwa 60 Mark. Bei einem handelsüblichen Schloß verhindern Stifte, daß sich das Schloß dreht. Sie ragen in den Schließzylinder bzw. in das Gehäuse. Nur wenn die Grenzen zwischen Kern- und Gehäusestift auf einer Ebene liegen, läßt sich das Schloß öffnen. Diese sogenannte Scherlinie wird erreicht, wenn der Schlüssel benutzt wird.

Die Sperrtechniker gehen andere Wege: Mit dem Spanner, dessen Ende rechtwinklig nach oben gebogen ist, wird das Schloß unter Spannung gesetzt und leicht gedreht. Die Stifte werden dann einer nach dem anderem mit dem Haken heruntergedrückt. Schneller geht es mit Diamant oder Schlange: Sie werden so lange zügig durch den Schließkanal gezogen, bis sich das Schloß öffnet.

„Lernen kann das jeder. Bei einfachen Schlössern hat man schon relativ schnell Erfolgserlebnisse“, sagt Franke. Bei den ersten Deutschen Meisterschaften 1997 erreichte der 26jährige einen zweiten Platz. Und Markmann, der im Vorfeld sechs Wochen lang täglich vier bis sechs Stunden trainiert hatte, schaffte einen zweiten und dritten Rang.

Die Gründer des Vereins kommen aus der Computerszene. „Mittlerweile ist das querbeet. Wir haben Mitglieder vom Hausmeister bis zum Akademiker“, sagt Franke. „Wir tauschen uns auch mit Sicherheitstechnikern aus. Außerdem beraten wir Freunde und Bekannte, die wissen wollen, was für ein Schloß möglichst sicher ist.“

Der Verein der Sportsfreunde der Sperrtechnik plant die Herausgabe einer Fachzeitung mit dem Titel „Der Türfreund“. Markmann kann sich sein Hobby als sportliche Massenbewegung vorstellen. „Unser Hobby wirkt vielleicht wirklich etwas krude, so auf der Stufe von Aquarianer. Aber warum soll das nicht auch eine olympische Sportart werden“, findet der 32jährige.

Auch der Nachwuchs scheint gesichert: „Die kleine Tochter eines Vereinsmitglieds öffnet verschiedene Zylinderschlösser unter zehn Sekunden. Mit 18 Jahren kann sie Sondereinheiten der Polizei schulen.“ Iris Auding, dpa

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