Wahlkampf vor leeren Rängen

■ Joschka Fischer und Antje Vollmer eröffneten in Frankfurt den Wahlkampf. Aber kaum einer hörte den beiden Vorzeige-Grünen zu

Frankfurt am Main (taz) — Heimspiele sind immer die schwersten. Sagt Joschka Fischer hinterher. Der Mittelstürmer der Bündnisgrünen dribbelte am Mittwoch abend beim Bundeswahlauftakt auf dem Römerberg im leeren Raum. Höchstens 500 Leute standen vor dem Rathaus. Der Schritt ins Freie, so eine Wahlkampfhelferin, sei „sehr riskant“ gewesen.

Was in einem Saal wie gutbesucht aussieht, verläuft sich auf dem Hügel. Die „anderen Wählerschichten“, die Fischer beschwörend angesprochen wissen möchte, sind nicht gekommen. Jeder kennt jede, alle kennen Joschka, der kabarettistische Pausenfüller ist mäßig, die Akustik schlecht. Erster Redner ist der Frankfurter Umweltdezernent Tom Koenigs, als zweite kommt die heimische Kandidatin Lene Riedel. Das Pflichtprogramm heißt „Wechsel in Bonn“, wegen Arbeitslosigkeit, Ausländerfeindlichkeit, Ausstieg aus der Atomenergie. Gleichberechtigung der Frauen ist Programm und ein Ausflug der Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer, die die Frage, ob die Grünen „eigentlich noch gebraucht“ werden, damit beantwort, daß Inder, der Dalai Lama, Tschechen und Polen das außenpolitische Gespür der Partei mehr zu schätzen wüßten als die InländerInnen. „Wir haben im Augenblik den härtesten Wahlkampf aller Zeiten vor uns.“ Gebraucht würden die Grünen auch, „damit dieser Wahlkampf überhaupt Themen hat“.

Die allerdings, sagt Vollmer, würden „nicht immer mit der genialsten Methode“ publik gemacht. Sie trägt dem Veranstaltungsort Rechnung, in dem Fußball immer angesagt ist. Die CDU führe einen Lagerwahlkampf „über die Flügel“, das heiße, die PDS hoch-, die Grünen runterreden.

Viele gehen, einige kommen, um Fischer zu hören. Der greift 20 Minuten vor der verabredeten Zeit zum Mikrophon, hält manuskriptfrei eine Stunde durch, spöttelt über die Eigentore der grünen „Sportsleute“ und steht da, als ob er fröstelt. Und er hält ein Referat wie auf dem Campus, darüber, wie Arbeitslosigkeit durch Steuern zu bekämpfen sei. Eine Steuererhöhung sei unumgänglich, nur „gerecht“ müsse sie sein. Es folgen die Themen Verkehr, Energiesparen, Ausländerfeindlichkeit bekämpfen, Atomanlagen dichtmachen.

Fischer appelliert immer wieder an die eigene Partei: zu den „eigenen Inhalten stehen“, „nicht wegducken“, aber auch „die Menschen abholen und nicht vor den Kopf stoßen“. Dann sagt er: „Ich danke euch!“ Musikalischer Schlußpunkt des Auftakts: „We are the Champions“. Der Römerberg ist leer. Heide Platen