■ Kein Müsli im Kopf: Björn Wehrs war in Bremen "Biotonnen-Inspektor". Wo braune Tonnen die rote Karte kriegten, hatte er die Hand im Spiel
Was sind das für Menschen, die freiwillig in anderer Leute Biomüll stöbern, um sie der Ökosünde zu überführen? „Leidenschaftliche Umweltschützer“, sagt Björn Wehrs, der genau das tat, von sich selbst. Der 26jährige krönte sein Freiwilliges Ökologisches Jahr bei der Bremer Umweltberatung (BUB) mit einem mehrwöchigen Einsatz für die Bremer Entsorgungsbetriebe (BEB). Wo in Bremen Biotonnen jüngst ungeleert am Straßenrand stehenblieben, hatte er die Hand im Spiel. Genauer: im Eimer.
Mit Grillzangen und Handschuhen bewaffnet bildeten er und ein Kollege vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) die Vorhut – bevor der Müllwagen kam. Der eine für ein geringes Entgelt, Björn für das monatliche Praktikantentaschengeld. In der orangenen Müllwerker-Joppe wußten sie sich dabei von starker Hand geschützt. „Unter den Müllwerkern, nein, das sind ja echte Entsorger, sind schon ganz schön starke Kerle“, sagt Björn. Mit dieser Rückendeckung setzte er unbeschwert Zeichen gegen den Plastikmüll in der Biotonne. Gelbe und rote Karten pappten „Björn und Jörn“ während der mehrwöchigen Inspektionen an die braunen Tonnen. „Wie im Fußball, nur gab's gleich rot-gelb“, lacht der Umweltaktivist. Er hatte keinen Moment Skrupel, für die Bremer Entsorgungsbetriebe auf die Straße zu gehen. „Natürlich ohne Gasmaske“, antwortet er ein kleines bißchen herablassend. „Die würde doch sowieso nicht helfen. Der Bioabfall ist doch organisch.“
In Sachen Umwelt ist Björn Wehrs kein Anfänger. Worte wie „Abfallwirtschaftsgesetz“ und „Kreislaufwirtschaft“ gehen ihm fließend von den Lippen. Daß er da mit seinen 26 Jahren mehr auf dem Kasten hat als manche anderen, die das Jahrespraktikum im Anschluß an die Schule aufnehmen, weiß er. Seit Jahren ist er als Juso aktiv für die SPD in Umweltfragen – obwohl er beileibe nicht mit allen Entscheidungen der Partei glücklich ist. „Da kleben viele Alte einfach zu sehr am Posten“, sagt er. „Junge Leute haben überall dasselbe Problem.“ Andere Parteien, die Grünen etwa, wären für ihn trotzdem keine Alternative. „Die sind mir zu oberlehrerhaft, zu akademisch und zu theoretisch.“
Für Björn Wehrs ist es wichtig, daß die Menschen erkennen, daß Umweltfragen sie selbst betreffen. Dafür ist er mit dem Ingenieur der BUB, bei der er die Hälfte seines Praktischen Jahres verbrachte, in Bremer Schulen gegangen. Hat versucht, LehrerInnen, SchülerInnen und Hausmeister vom Sinn des Energiesparens zu überzeugen – und sie dabei beraten. Und dafür ließ er sich von erzürnten BEB-KundInnen auch auf der Straße anmachen.
„Manche waren schon sehr aufgebracht“, erzählt er von BremerInnen, die hinter der Gardine warteten, ob ihre Biotonne denn beanstandet würde – um dann dagegen laut zu protestieren. „Wir wurden als Ökoterroristen beschimpft“, sagt er. „Und noch schlimmer.“ Und daß er „Müsli im Kopf“ habe, warf man ihm auch vor. Vieles habe er geschluckt. Manches mit sachlichen Argumenten erklärt – und manchmal auch die Argumente der anderen eingesehen.
„Die Sache mit der Katzenstreu zum Beispiel ist ein Problem“, sagt er. Obwohl verboten, fand er davon viel. „Viel zuviel.“ Doch dann kam der Katzenhalter – und bewies ihm, daß er in die Bio-Streu, abbaubar, eigens ein paar Mark mehr investiert hatte, damit sie keinen Schaden anrichtet. Björns offenes Fazit: „Das müßte man besser lösen.“
Lösungen suchen – das ist zur Zeit ohnehin sein Thema. Als Björn Wehrs sein ökologisches Jahr antrat – nach einem schweren Unfall und mehrjähriger Rehabilitation –, schien das Ökojahr als Geheimtip, um später den Traumjob im Umweltbereich zu ergattern. Aber Stellen in Bremen sind rar. Das Jahr ist vorbei – und die eine Stelle, auf die er fest gesetzt hatte, vor kurzem geplatzt. „Jetzt geht das Suchen wieder los“, stöhnt er. „Für viele Arbeitgeber bin ich zu alt und zu theorielastig“. Dabei will er in die Praxis. Als Ver- und Entsorger. Sein Traumberuf. Auch dafür ist er vor der Biotonne hergezogen. ede
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen