: Mietskasernen werden grüne „Stadtoasen“
■ Mitten in der Berliner Innenstadt entwickelt sich ein Projekt für ökologisches und soziales Wohnen. Ein klassisches viergeschossiges Mietshaus avanciert zum Vorzeigeobjekt
Vorderhaus, Seitenflügel, Quergebäude – die klassische Berliner Mietskaserne war einst als mieses Wohnloch verschrien und ist als Oldtimer mittlerweile wieder begehrt. Doch ökologische Qualitäten hat ihr bislang niemand abgewinnen können. Bislang: Michael Gauß ist gerade dabei, aus dem Haus Heidelberger Straße 35 in Neukölln eine „Stadtoase“ zu gestalten.
Von außen betrachtet, wirkt das Gebäude samt Hof grau und trostlos wie unzählige Altbauten in der Innenstadt. Innen schlägt die Ökologie bereits zarte Triebe: 3 der insgesamt über 40 Wohnungen wurden von Immobilienmakler Gauß nach ökologischen Gesichtspunkten saniert. Als Baustoffe wurden ausschließlich natürliche Materialien wie Holz, Fermacell-Platten aus Naturgips und Zellulose, zum Teil auch Lehm für die Wände verwendet. Dieses Material reguliert die Luftfeuchtigkeit, ist ein idealer Wärmespeicher und besitzt hervorragende Schalldämmeigenschaften.
Auch energetisch zeigt sich das Projekt von seiner grünen Seite: Statt mit Heizkörpern wird die Wärme durch Leitungen, die an den Wänden entlanglaufen, abgegeben. Mit dieser sogenannten Randleistenheizung werden zum einen weniger Luftpartikel aufgewirbelt, andererseits vermindert dieses Prinzip in Verbindung mit den Lehmwänden den Energieverbrauch: „Die Raumtemperatur kann um drei bis vier Grad niedriger gehalten werden und erzeugt trotzdem dasselbe Temperaturempfinden wie übliche Zentralheizungen“, erläutert Gauß. Der Anschaffungspreis liegt allerdings auch rund 20 Prozent höher als bei herkömmlichen Systemen.
Die Stromleitungen wurden durchgehend in abgeschirmten Kabeln – mit Metallmantel – verlegt, um Elektrosmog vorzubeugen. Darber hinaus führt durch die Schlafbereiche der einzelnen Wohnungen ein separater Stromkreis, der den Stromfluß automatisch stoppt, sobald keine Elektrizität mehr verbraucht wird. „Nicht jeder Mensch ist für das Phänomen Elektrosmog empfänglich“, räumt Gauß ein. „Aber mit diesem Projekt möchte ich beweisen, daß konsequentes ökologisches Bauen auch in herkömmlichen Gebäuden nicht nur machbar, sondern auch wirtschaftlich ist.“ Eine rund 80 Quadratmeter große 3-Zimmer Wohnung, deren Grundriß aus zwei kleineren Wohnungen völlig neu geschnitten wurde, kostete etwa 110.000 Mark; Wannenbad, amerikanische Küche und Balkonanbau inklusive.
Insgesamt vier Architektenbüros sind an der Entwicklung der „Stadtoase“ beteiligt. Neben ökologischen sollen auch soziale Aspekte berücksichtigt werden. Das Ziel: ganzheitliches Wohnen. Behinderten-, alten-, und kindergerechte Architektur sind Teil der Planungen. Auch ein Kinderladen sowie der Übergabepunkt einer Food-Coop sollen in der Heidelberger Straße 35 Platz finden. Die anstehende Hofbegrünung und Fassadengestaltung sieht Nistplätze für Mauersegler vor; auch der BUND ist an der Projektierung beteiligt.
Ganz billig wird der alternative Lebensraum in Citynähe allerdings nicht. Eine 77-Quadratmeter-Wohnung mit drei Zimmern im Dachgeschoß, das im nächsten Jahr noch ausgebaut wird, soll pro Quadratmeter 4.100 Mark kosten. Lars Klaaßen
Kontakt: Michael Gauß Immobilien,
Tel. (030) 61341-70/80, Fax -90.
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