: User unknown Von Fanny Müller
„Ein Internet kommt mir nicht ins Haus!“ war immer meine Parole gewesen, aber gute Freunde, die zu faul sind, einen Brief zu tippen – geschweige denn, einen mit der Hand zu schreiben –, ihn auszudrucken, in einen Umschlag zu stecken und höchstpersönlich eine Adresse draufzuschreiben, mit einer Briefmarke zu versehen und dann noch zum Briefkasten zu wandeln, also richtig gute Freunde überzeugten mich, daß eine E- Mail-Adresse für die Frau von Welt heute unerläßlich sei.
Jetzt kriege ich von ebendiesen Leuten Informationen zugesandt, die sie marginalen Blättern im Internet entnommen haben, z. B. dem Fachblatt „kleintier konkret – die Zeitschrift für die Kleintierpraxis“: „Werden juvenile Sumpfschildkröten mit Blepharo-Ödem und käsigen Massen unter den Lidern vorgestellt, handelt es sich häufig um eine Unterversorgung mit Vitamin A.“ Käsige Massen unter den...?? – Käsige Mas...? Das ist ja furchtbar! Da wird einem ja ganz anders, sogar schlecht. So etwas will ich nicht geschickt kriegen! Und so etwas auch nicht: „...werden wir unser analoges Einwahlnetz auf bis zu 56.000 Bits pro Sekunde ausbauen...“
Solche Post kriege ich in meinen Apparat hinein von AOL, von denen (oder heißt es „der“?) ich übrigens bis dato angenommen hatte, daß sie meine E-Mails mit ihren Bits oder wie sie das auch immer machen, nach Amerika beamen und zurück, auch wenn ich bloß Julia, die über mir wohnt, eine geschickt habe. Das fand ich faszinierend. Ich lauschte auch immer ganz gebannt den sphärischen (dudideldjiiitdüö) Klängen beim Einwählen. Jetzt sagt mir aber mein Supporter Sönke, daß alles über Gütersloh gehe. Gütersloh! Das ist doch deprimierend! Fast so schlimm wie Kaiserslautern! Oder Pirmasens! Obwohl ich da schon immer hinwollte – oder war das Paris/New York/Acapulco? Egal. Viel deprimierender war die nächste Info, die ich von AOL erhielt: „Ganz im Sinne von ,Online für alle‘ reagiert AOL auf den sich abzeichnenden Trend, daß immer mehr Frauen...“ brabrabra „...bei AOELLA (ich krieg mich nicht mehr ein), dem Online-Frauenbereich, finden engagierte Onlinerinnen Tips und Infos zu...“ – na? Was wohl? Zu Perversionen? Zur Machtübernahme in der taz? – Richtig geraten – „...zu Partnerschaft und Familie, Gesundheit, Karriere und Reisen“.
Genau in dieser Reihenfolge. Herzlichen Dank – ich habe bereits ein Nudelrezept.
Versöhnt mit der modernen Technik werde ich dann durch Botschaften wie: „Wollen wir uns mal wieder in der Drogenhölle am Schulterblatt mit Koffein zuschütten? Torsten“
Es kommt aber auch vor, daß ich eine Mail zurückgeschossen kriege. „User unknown“ heißt es dann (Das erinnert mich an meine Hilfsbriefträgerzeit, als auch mal gerne jemand „unbekannnt verstorben“ war.) Beim ersten Mal fragte ich bei befreundeten Netz- Experten nach, was es wohl damit auf sich hätte. „Ich weiß gar nicht, ob es nicht sogar gut ist, wenn eine Mail zurückkommt“, mailte Matthew, „das ist wie nach dem Krieg, da kommen sie auch alle zurück. Es kann aber auch ganz was anderes sein, was Technisches. Ich meine, wer kennt sich da schon genau aus? – Da nicht für – Ich hoffe, ich war Dir eine große Hilfe.“
Nicht wirklich.
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