: Das Feigenblatt scheint durch
■ Das neue Gremium gegen Medienmacht muß eingestehen, daß es nicht viel tun kann
Joachim Schmitz, der Sprecher der Kirch-Gruppe, redet derzeit besonders gern über den Mißerfolg der Sender seines Brötchengebers. Nun seien die Marktanteile im ersten Halbjahr schon wieder gesunken, führte Schmitz gestern bester Dinge aus. Rechne man alle Kirch-Sender zusammen, würden kaum mehr als 26 Prozent der Zuschauer erreicht – und das mit Pro 7/Kabel 1 und Premiere, die man bei Kirch lieber hinausgerechnet sähe.
Die seltsame Freude der Kirch- Gruppe hat einen Grund: Derzeit blockiert die KEK, jene Kommission der Länder, die zuviel Medienkonzentration verhindern soll, mehrere zurückliegende Beteiligungsdeals bei Kirch-Sendern – zum Beispiel die letztjährige Übernahme der Pro 7-Mehrheit durch Kirch-Sohn Thomas im Zuge des Börsengangs des Senders. Und dabei spielt die Quote eine entscheidende Rolle.
Die „Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich“ will prüfen, ob Kirch nicht längst zuviel Macht auf dem Medienmarkt hat, indem er als Filmhändler nahezu alle Sender beliefert. In den Rundfunkgesetzen wurde zwar letztes Jahr festgelegt (äußerst großzügig, wie Kritiker meinen), daß ein Konzern, solange er nicht 30 Prozent der Zuschauer erreicht, als unbedenklich gilt. Jedoch: Wenn ein Konzern die Grenze „geringfügig unterschreitet“, kann die Kommission prüfen, ob er nicht schon zuviel Macht auf „medienrelevanten verwandten Märkten“ hat. Und dazu zählt die KEK den Filmhandel. Doch ihr Auskunftsverlangen bei mehreren Sendern, wieviel Filme sie von Kirch beziehen, ist einstweilen durch eine Kirch-Klage blockiert.
Genau dieser Streit ist der Grund für die Freude bei Kirch über das Floppen von Kogel & Co: Gut 26 Prozent seien keine „geringfügige Unterschreitung“ mehr. Die KEK selbst sagt, sie dürfe bei etwa 28,5 Prozent anfangen zu prüfen – aber sie verläßt sich auf die Zahlen zum Zeitpunkt der Anmeldung des Pro 7-Deals im letzten Jahr. Hauptsächlich klagt Kirch aber wegen „Ungleichbehandlung“. Dem Partner Bertelsmann habe die KEK seine CLT-Ufa-Fusion durchgehen lassen, ohne daß der Konzern umfänglich über seine Macht an den Kiosken habe Auskunft geben müssen. „Keine Ungleichbehandlung“ sieht dagegen KEK-Chef Reimut Jochimsen.
Der Zoff mit Kirch ist der erste große Streit, den die KEK führt, die nun seit einem Jahr besteht. Doch selbst wenn das Gericht seine Prüfung gestattet, wird das Gremium wohl am Ende gegen Kirch klein beigeben müssen. Denn seine Mittel sind äußerst schwach, wie gestern zwischen den Zeilen auch immer wieder KEK- Chef Reimut Jochimsen zugeben mußte. Exemplarisch zeigt der Streit die Schwäche des neuen Gremiums, des „letzten Feigenblatts“ vor der Macht der Medienkonzerne, wie Medienrechtler Hans-Dieter Dörr sie einst nannte. Gestern stellte die KEK ihren ersten Jahresbericht vor, in dem immer wieder kaum verhohlen darüber geklagt wird, wie wenig Handhabe den sechs Medienrechtlern gibt.
Gestern mußte sich KEK-Chef Jochimsen zudem gegen „andauernde Erschütterungen“ verwahren: Die mächtigen Landeschefs von Bayern und NRW, Edmund Stoiber (CSU) und Wolfgang Clement (SPD) hatten nämlich erkennen lassen, daß sie die Kontrolleure am liebsten wieder abschaffen würden – ebenso sah es die CDU-Medienkommission. Angesichts dessen blieb Jochimsen, der immerhin ein Gesandter von Clements NRW-SPD ist, gestern nur, bei der anstehenden Änderung der Rundfunkgesetze keine weiteren Aufweichungen der Regeln für die Arbeit der Kontrolleure zu fordern. Soweit gehen, mehr rechtliche Mittel zu fordern, wollte er nicht. Lutz Meier
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