: Und ewig singen die Bohrmaschinen
■ Fußbäder, Philosophie, fantastische Kunst: Das schillernde Projekt F 18 am Fischmarkt Von Thomas Schulze
Das blaue Haus am Fischmarkt 18 hat schon einiges mitgemacht: Salz und Fisch haben die Wände der Lagerhalle angefressen, und die verblaßte Fassade versteckt ihren jugendstiligen Charme. Aber dahinter spielt sich seit zwei Jahren eines der kreativsten Kunstprojekte Hamburgs ab, das dem anrüchigen Gewerbebau noch einmal Leben eingehaucht hat.
Es ist das Hauptquartier des Instituts für Kunst, Information und Technologie, wie das ausgeblichene Türschild verrät. Nach der Adresse kurz F 18 genannt. „Unsere Idee ist es, einen Raum für genau die Künstler zu schaffen, die in Hamburg sonst keinen finden“, sagt Anne Vaupel. Performances, Installationen oder Maschinenkunst gehören dazu. Zufällig hatte Mitstreiterin Gwendolin Taube die leere Halle auf der Suche nach geeigneten Örtlichkeiten entdeckt. Acht Leute bilden heute den harten Kern des Vereins, der mit seiner Testreihe Gegenwart T1 im letzten Jahr aufhorchen ließ. Die Veranstaltung präsentierte ein so weitgefächertes wie unverkrampftes Verständnis von Kunst: Zitrusfrüchte bekamen eine Tätowierung, Lesungen über Fußbäder und Philosophie wechselten mit Aktionen pneumatischer Figuren, und ein Bohrmaschinenorchester machte Radau.
Für alle Projekte war der Raum mehr als ein Dach über dem Kopf, eine Schweizer Gruppe hatte sogar ihr rotes Plüschsofa hierher verfrachtet. Die einzelnen Ausstellungen verwandelten die Halle in stetig changierende Settings, ein Kochstudio war ebenfalls aufgebaut. So trafen Kunstheinis auf die Bauarbeiter, die nebenan das Fischerhaus renovierten. Deren Kommentar war dann auch mehr Motivation als die gepflegte Vernissagekonversation. „Weißt du, Deern, ich verstehe nichts von Kunst, aber ihr müßt weitermachen“, stellte einer nach eingehender Inspektion der Objekte fest.
F 18 heißt auch Mut zur Lücke: Die Gruppe will Kunstprojekte ohne Lobby präsentieren, bietet Weiterbildungen an und liefert ein Forum für Debatten. Alle Aktionen werden in verschiedenen Medien dokumentiert. „Der Sack der Ideen ist übervoll. Aber von den Sparmaßnahmen der Behörde sind auch wir betroffen. Im Prinzip finanzieren wir fast alles selbst. Ein ziemlicher Aufwand“, stellt Vaupel fest. F 18 ist keine normale Galerie. Statt Konkurrenzgehabe geht es hier um Kooperation. Weniger Theorie, mehr Praxis – nicht die eigene Person, die Atmosphäre ist wichtig. Diese Entspanntheit muß die Gruppe im April nächsten Jahres an einen neuen Ort verpflanzen: „Das wird schwierig, in dieser Form etwas wieder zu finden. Schade ist das – auch für den Stadtteil.“ Dabei verändert sich St. Paulis Hafenrand sowieso unablässig – und nicht immer zum besseren. Kaum ist noch zu spüren, daß hier die ersten Fischauktionen Deutschlands stattfanden. Die Hafenrandstraße schneidet das Viertel vom Wasser ab, der Flutschutz versperrt die Sicht.
F 18 ist zusammen mit der Künstlerkolonie des Hafenklangs und den En-tertainment-Aktivisten vom Golden Pudel Klub eines der wenigen inoffiziellen Projekte am Hafenrand geblieben – Leerstellen also innerhalb jener „Perlenkette“, als die Oberbaudirektor Kossak die Reihung architektonischer Höhepunkte am Hafen sehen will. Belebender als die polierten Süßwasserperlen des städtischen Baumeisters sind sie allemal – im Vergleich wirkt F 18 wie ein ungeschliffener Diamant.
Den sechsten Teil von „Kultur greift Raum“ lesen Sie Dienstag: Die Wendenstraße - Galerie im Gewerbegebiet.
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