: Europas Luftflotten rüsten gegen US-Konkurrenz
■ Nach der französischen Fusion Gerüchte über Ehe von British Aerospace und Dasa
Berlin (taz) – Die von der Branche immer wieder angemahnte Konzentration der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie kommt allmählich in Schwung. Nur einen Tag nach der Ankündigung der französischen Regierung, den staatlichen Luftfahrtkonzern Aerospatiale zu privatisieren und mit dem High-Tech-Konzern Matra-Lagardère zusammenzuschließen, berichtete die Financial Times gestern über Fusionsgespräche zwischen British Aerospace und Daimler Benz Aerospace (Dasa). Dasa-Sprecher Christian Poppe bestätigte die Verhandlungen mit British Aerospace. Ziel der Gespräche sei die Schaffung eines europäischen Luftfahrtunternehmens, nicht eine Fusion, wiegelte Poppe allerdings ab.
Das Fusionsgerücht könnte eine Warnung an die Franzosen sein, bei der Privatisierung keine halben Sachen zu machen. Denn Frankreich, Großbritannien, Deutschland und Spanien haben vereinbart, daß der geplante europäische Luft- und Raumfahrtkonzern European Aerospace and Defense Company (EADC) keine staatlichen Teilhaber haben dürfe. Die französische Regierung wird aber voraussichtlich 49 Prozent der Aktien des neuen Luftfahrtriesen Matra-Aerospatiale halten – mit 25 Milliarden Mark Jahresumsatz der größte in Europa.
Bislang bildet die europäische Luft- und Raumfahrtindustrie ein schwer überschaubares Geflecht aus Partnerschaften und Beteiligungen verschiedener Konzerne. Darin war British Aerospace mit einem Jahresumsatz von über 20 Milliarden Mark bisher die Nummer eins. Briten und Deutsche argwöhnen nun, daß die Franzosen zuerst ihre eigene Luft- und Raumfahrtbranche international schlagkräftig machen wollen. Damit hätte Frankreich im künftigen EADC mehr Gewicht, um seine nationalen Interessen durchzusetzen. Bereits 1997 wurde der Elektronikhersteller Thomson CSF ausschließlich unter französischen Konzernen aufgeteilt.
Gegenwärtig liegt der Anteil der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie am Weltmarkt bei einem Drittel. Marktführer sind die USA mit 56 Prozent. Dort sitzen die drei größten Luft- und Raumfahrtkonzerne Boeing- McDonnell-Douglas, Lockheed Martin und Raytheon. Mit einem effizienteren Konzern EADC hofft die europäische Industrie, ihnen eher Paroli bieten zu können.
Denn noch immer hat sie sich nicht vollständig von dem Absatzeinbruch nach Ende des absatzfördernden Kalten Krieges erholt, wie die jüngsten Daten des europäischen Luft- und Raumfahrtverbandes AECMA zeigen. Der Rekordumsatz von rund 113 Milliarden Mark im Jahr 1990 sank bis 1995 auf 81 Milliarden. Im vergangenen Jahr kletterte der Umsatz immerhin wieder auf 109 Milliarden Mark. Im selben Zeitraum baute die Branche fast 175.000 Jobs ab – fast ein Drittel aller Arbeitsplätze des Jahres 1990.
Inzwischen verdient die europäische Luft- und Raumfahrtindustrie mehr Geld mit zivilen Gütern. Nur 40 Prozent des Umsatzes entfallen auf Militärflugzeuge, Raketen oder Spionagesatelliten. 1990 waren es noch 50 Prozent, vor 1985 sogar mehr als 60 Prozent gewesen. Das liegt auch daran, daß europäische Rüstungsprojekte wie der Eurofighter bislang auf dem Weltmarkt weniger gefragt sind als US- amerikanische. nbo
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