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Flicksaison beginnt

■ Nach der Kirschernte: Fünf Millionen Quadratmeter Netze harren der Reparatur

An kalten Wintermorgenden hocken die Obstbauern über ihren Netzen wie Fischer nach Sonnenuntergang. Was der Sommer angerichtet hat, wird dann repariert, bis kein Loch breiter ist als die Maschen, die das Netz sowieso hat. Ist eines größer, bedeutet das volle Vogelmägen im nächsten Sommer, und wenn die Stare sich sattpicken an den Süßkirschen, bleiben weniger zum Verkauf. „Vögel“, weiß Rolf Stehr, wissenschaftlicher Leiter des Versuchsbetriebes Esteburg, „sind die schlimmsten Feinde der Obstanbauer. Besonders die Stare. Die kommen schon durch ein relativ kleines Loch durch.“

Also gilt es, den Pickern zu trotzen. Rund fünf Millionen Quadratmeter Kunststoffnetz haben die ObstanbauerInnen im Alten Land zu diesem Zweck verhängt. Seit Ende Juni liegen die Maschenstoffe über den Anlagen wie Schonbezüge über einer Couch. Tatsächlich kommen die Stare eigens wegen der Kirschen ins Alte Land. „Die brüten in den Getreidefeldern. Sobald die Kirschen rot werden, kommen sie hierher“, sagt Stehr.

In den nächsten Tagen werden die Gäste wieder abreisen. Die Kirschernte geht zu Ende; die Bäume werden wieder abgedeckt. Die Vogelscheuchen haben ausgedient, die Schreckschußmaschinen knallen nicht mehr, und daß SchülerInnen ihre Ferien zwischen den Kirschbaumanlagen damit verbrachten, aufmüpfige Vögel mit penetrantem Klatschen zu verscheuchen, ist ohnehin zehn oder zwanzig Jahre her. Glücklicherweise, findet Stehr: „Dieses Klatschen ging unheimlich an die Nerven, und gerettet wurden dadurch auch nur 50 Prozent der Kirschen.“

Wer seine Kirschbäume wirklich schützen will, weiß er, muß sie vernetzen. Das ist zwar teuer, denn jeder Quadratmeter Netz kostet 20 Mark. Aber es rechnet sich, zumindest, wenn die Baumüberzieher gepflegt werden. Dann beträgt ihre „kalkulierte Lebensdauer“ acht bis zehn Sommer, und umweltfreundlich sind die wiederverwendbaren Netze auch.

Gegen den „zweiten großen Feind“ der BaumbesitzerInnen können jedoch auch die feinsten Maschen nichts ausrichten: Penetrant prasselnder Regen wie in den vergangenen Wochen verdirbt zuverlässig einen Teil der rund 2,5 Millionen Kilo Kirschen, die im Alten Land jährlich geerntet werden. Die Einbußen dieses Sommers dürften bei rund 30 Prozent liegen – von den durchweichten Netzen einmal abgesehen. Judith Weber

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