Freiheit für Heinz Arndt!

■ Oder: Warum die Vermutung nahe liegt, daß die Werbepostille Bremer City News im Keller einen unschuldigen Menschen quält – und auch ihren LeserInnen einiges zumutet

Ein langes Leben könnte man verplempern mit der Suche nach dem Sinn der Aussage, das Zugunglück von Eschede sei eine „Warnung an die Ignoranz unseres luxuriösen asozialen Daseins“, zumal es die „Industriegesellschaft als perfete Machtstruktur der Großkonzerne nie schaffen wird, die unvorstellbaren Unfälle zu neutralisieren“. Ganz offensichtlich will uns Alp Usar, Autor dieser auch orthographisch eigenwilligen Zeilen und Chefredakteur des Werbeblättchens „Bremer City News“ etwas mitteilen. Etwas wichtiges, elementares gar. Nur was? Daß perfete Machtstrukturen nichts bringen, weil die Ignoranz unseres Daseins die asozialen Unfälle nicht neutralisieren kann? Wohl eher nicht.

Im Grunde sorgt sich Usar um den Sittenverfall im vereinigten Europa. Gründe dafür gibt es genug, schreibt er im Intro seines kostenlosen Heftes, dem man ausgesetzt ist, sobald man die eigene Wohnung verläßt und die nächstbeste Kneipe oder das nächste Einkaufszentrum ansteuert. Angesichts dieses schockierenden Befundes liest Usar im Duden nach, was „sozial“ eigentlich bedeutet. Und ist hernach erstaunt darüber, „was sich so mit 'sozial' assoziert“. Um dann warnend festzustellen: „Täglich begenen wir dieser Wortschöpfung, benutzen es allzu oft, und doch handeln wir sehr oft asozial!“ Daß wir es, das Wortschöpfung, täglich begenen, dabei erstaunliche Dinge assozieren und trotzdem asozial handeln, ist in der Tat besorgniserregend. Aber schlimmer noch als das ist der Umstand, daß Alp Usar einen Duden besitzt und ihn, obwohl der Bedarf für eine sachgemäße Verwendung dieses kleinen Büchleins ganz offensichtlich gegeben wäre, im entscheidenden Moment aus den Augen verliert.

Doch Obacht: Alp Usar ist eine schillernde Figur. Schon das Bild zum Intro, auf dem er einem Baby ohne triftigen Grund ins Ohr beißt, macht stutzig. Und spätestens die Durchsicht der 42seitigen Werbung für so illustre Veranstaltungen wie die Miss Hawaiian Tropic Beach-Wahl, die Miss Landkreis Verden-Wahl, die Love Night Party, die Love Boat Summer Party und die Mega Single Beach Party läßt dunkle Ahnungen aufsteigen. Geht es tatsächlich sozial zu in der Redaktion der Bremer City News?

Die nach außen hin perfete Machtstruktur unter Commandante Usar wird vollständig neutralisiert, wenn man die Abgründe assoziert, die hinter dem unscheinbaren Namen Heinz Arndt stecken. Dieser arme Geknechtete nämlich hat die 42 Seiten der Bremer City News im Alleingang füllen müssen. Achtzehn Artikel und ebensoviele Fotos hat man ihm für die Juli-Ausgabe abgenötigt. Ob Böttcherstraße, Inline-Skating, Fußball, Opern, Weinfeste, Matjes oder Online-Shopping – nichts zwischen Himmel und Fußboden, womit sich der arme Heinz nicht beschäftigen mußte. Kein Wunder, daß mancher Artikel, für den Usar eine ganze Seite vorgesehen hatte, endet, noch ehe Heinz Arndt die Hälfte der Seite gefüllt hat. Große weiße Flächen im Heft, um die der gemeine Usar schonungslos herumlayoutet hat, zeugen dann von Heinzens offensichtlicher Ermattung. In diesen Phasen müssen auch Texte entstanden sein wie der über den Zauberer David Copperfield, über den Heinz schreibt, er saß bis 1987 auf der Gefängnisinsel vor San Francisco, bis „ihm als Ersten der Ausbruch aus Alcatraz“ gelang. Zudem „überwand er das tödliche Bermuda-Dreieck, entronn dem Inferno eines zusammenstürzenden Gebäudes und überlebte den Abgrund der Niagarafälle“. Heinz, der Mann ist doch Zauberer! Erinnerst Du dich: Z A U B E R E R! Es muß das Fieber sein, daß Heinz kurzzeitig die Grenzen zwischen Realität und Blödsinn vergessen ließ. Oder die Überarbeitung: Schließlich beglückt Heinz Arndt die LeserInnen des Fußballmagazins „Kicker“ ebenso regelmäßig mit seinen Ergüssen über den VfB Oldenburg wie diejenigen des Anzeigenblattes „Hunte-Report“, wo er wöchentlich eine Klatschkolumne zumetert.

Versteckt wird Heinz Arndt laut Impressum im „Schlüsselkorb“ – wahre BremerInnen durchschauen diesen kleinen Blendertrick natürlich sofort – , bewacht von vier Aufsehern, die das Impressum als freie Mitarbeiter ausgibt und die offensichtlich nur dazu dienen, die Textmaschine mit integriertem „Ritsch-Ratsch-Klick“ namens Heinz Arndt auszubeuten. Man hält es nicht aus – wenden wir also den Blick von diesem grausamen Kollegenschicksal ab und wenden uns wieder den Highlights zu.

„Und immer schön eincremen“ empfiehlt in dieser kultigen Juli-Ausgabe unseres unentbehrlichen Heftchens die TV-Darstellerin Annina Uctatis. Die zudem verkündet, sie liebe „Sonne, Sand und Me(h)er“. Was allein schon Anlaß genug wäre, an ihrem angegebenen Schulabschluß „Abitur“ zu zweifeln. Wenn sie duscht, „sollte das Chrom schon glänzen“, gibt die nach eigenen Angaben pflichtbewußte, ehrliche, ehrgeizige, mit einem sonnigen Gemüt ausgestattete und vor allem ordungsliebende Blondine zu Protokoll. Ein einigermaßen aussichtsloses Unterfangen, was Annina Ucatis einleuchten müßte, nähme die junge Frau sich trotz ihres hektischen Lebens zwischen „Peep“, Harald-Schmidt-Show und Bremer Flughafen nur mal die Zeit, die graue Masse unter dem Dreiwettertaft vor dem Duschen in Betrieb zu nehmen. Aber vielleicht duscht sie auch ohne Wasser und nutzt den Aufenthalt unter der Brause lieber dazu, wie irr mit ihrer Universalcreme über die Duscharmatur zu wienern.

In Zukunft will Annina Ucatis ganz einfach „erst mal lospowern“. Denn, sagt sie: „Ich habe das Zeug zum Star und werde daraus was machen.“ Mit dem Zeug, woraus sie später einen Star machen will, meint sie ganz offensichtlich ihre kaum zu übersehenden brustförmigen Megaschwellungen zwischen Bauchnabel und Halsansatz, die ihr bereits einen „kurzen, aber wirkungsvollen Auftritt“ im TV verschafft haben.

DJ Axel Gross hingegen beweist im „DJ Check“ auf Seite 39, daß er im Vergleich zu Usar und Ucatis vor allem ein vollkommen öder Typ ist, der partout in kein Fettnäpfchen treten will und auf die Frage nach der Zukunft des Nachtlebens nur zu sagen weiß: „Es ist ein Auf und Ab“. Ein Satz, so unscheinbar, trivial gar, daß zu vermuten ist, seine tiefere Bedeutung harrt noch der Entdeckung. Wir assozieren: Ein klarer Fall für den großen Assoziator Alp Usar! zott

Bremer City News erscheint monatlich und wird kostenlos in der Stadt verteilt: Das nächste Mal am 31 Juli. Zugreifen!