: Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt die Türkei
■ Der Tod eines 15jährigen bei einer Demonstration 1991 ging nicht, wie die türkische Regierung behauptete, auf das Konto der kurdischen PKK. Soldaten schossen damals scharf in die Menge
Straßburg (AFP) – Die Türkei ist gestern wegen des Todes eines 15jährigen Jungen, der während einer prokurdischen Demonstranten erschossen worden war, vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilt worden. Die Richter wiesen die Version der türkischen Regierung zurück, für den Tod des Jungen seien Mitglieder der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verantwortlich. Dafür gebe es keinerlei Beweise, hieß es in dem Urteil. Dagegen sei der Bericht des Vaters des getöteten Jungen von mehreren Zeugen bestätigt worden. Danach schossen Sicherheitskräfte mit scharfer Munition direkt in die Menge.
Bei der Demonstration in der südosttürkischen Stadt Idil war es am 4. März 1991 zu schweren Zusammenstößen zwischen Ordnungskräften und Demonstranten gekommen. Dabei waren auch Soldaten mit Panzern im Einsatz. Zeugen zufolge schoß ein Unteroffizier von einem Panzer aus in die Menge. Außer dem Jugendlichen wurde noch ein zweiter Demonstrant getötet; zwölf Menschen wurden verletzt. Der Vater des erschossenen Jungen hatte anschließend Anzeige erstattet. Das Verfahren wurde aber mit der Begründung eingestellt, es sei unmöglich, die Täter zu ermitteln.
Zwar seien auch die Demonstranten nicht friedlich gewesen, stellte der Gerichtshof für Menschenrechte fest. Dennoch sei die von den Ordnungskräften angewendete Gewalt nicht zu rechtfertigen. Offenbar hätten die Soldaten mit scharfer Munition geschossen, weil sie nicht mit anderen Mitteln – wie Schlagstöcken oder Tränengas – ausgerüstet gewesen seien. Dies sei gerade im Südosten der Türkei, wo wegen des Kurdenkonflikts schon seit Jahren der Ausnahmezustand herrsche, völlig unverständlich. Die türkische Regierung wurde angewiesen, dem Vater des getöteten Jungen Schadenersatz in Höhe von umgerechnet etwa 18.000 Mark zu zahlen.
Der Menschenrechtsgerichtshof hatte die Türkei schon mehrfach wegen schwerer Folter an Kurden und der Zerstörung kurdischer Dörfer verurteilt.
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