■ Kommentar: Virtueller Denkmalschutz
Daß Berlin nicht gerade die denkmalfreudigste Stadt ist, ist bekannt. Wenn es dem wirtschaftlichen Interesse eines Investors zugute kommt, wird der Denkmalschutz schon auch mal aufgehoben. Gesamtstädtische Interessen formulieren heißt das dann oder Güterabwägung. Bestes Beispiel ist der Zollernhof Unter den Linden. Weil das ZDF unbedingt dort sein Hauptstadtstudio samt Tiefgaragen unterbringen wollte, wurde das gesamte Gebäude entkernt und der rückwärtige Gebäudeteil abgerissen. Vom Denkmal übrig bleibt lediglich eine Fassade.
An der Oberbaumbrücke soll nicht einmal mehr das gelten. Weil Lofts nun einmal große Fensterfronten brauchen und die vorhandene Statik keine solchen zuläßt, soll hier gleich alles niedergerissen werden. Was bliebe wäre „virtueller Denkmalschutz“: Kunstgeschichte als Siebdruck auf Glas. Das klingt wie „Carpaccio auf Bockwurst an Senf“, wie der Architekt Axel Schultes einmal das neue Lindencorso bezeichnet hat.
Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ein denkmalgeschütztes Gebäude muß nicht unbedingt schön sein. Der Wert eines Bauwerkes ist schließlich keine Frage der Ästhetik, sondern seiner kunst- und baugeschichtlichen Bedeutung. Und gerade der Typus des Speichergebäudes ist in Berlin, anders als in Hamburg, nur noch selten vorhanden. Die Frage ist nun, ob der für Denkmal zuständige Stadtentwicklungssenator Berlin einmal mehr zur Denkmals-Diaspora macht. Wer sich freilich auf die Argumentation eines „virtuellen Denkmals“ einließe, würde nicht nur den wirtschaftlichen Interessen der Investoren das Speichertor öffnen, sondern auch die Belange der Baukultur endgültig zur Stammtischfrage des guten Geschmacks degradieren. Uwe Rada Seite 19
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