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Blütenalpträume

■ Skandal: Gentechnisch veränderte Pappeln blühten unvorschriftsmäßig

„Gentechnik ist unberechenbar.“ Davon ist seit gestern zumindest Schleswig-Holsteins grüner Umweltminister Rainder Steenblock überzeugt. Denn wie seinem Ministerium jetzt bei einer Routineüberprüfung bekannt wurde, trieb eine genetisch veränderte Zitterpappel in Großhansdorf schon Anfang des Jahres Blüten. Der Baum steht immer noch auf dem Freisetzungsgelände, die zwei Blüten wurden entfernt, so daß nach Angaben der Betreiber keine Samenbildung erfolgen konnte.

Nach den Vorschriften des Berliner Robert-Koch-Instituts muß das Blühen eines transgenen Baumes in jedem Fall verhindert werden. Anderenfalls ist der Baum zu fällen. Denn über Pollen und Samen können sich veränderte Gene verbreiten und auf nicht veränderte Pflanzen überspringen. Steenblocks Fazit: „Freisetzungsversuche mit gentechnisch veränderten Organismen sind nicht sicher.“ Er forderte gestern die Betreiber des Versuchs auf, den Baum unverzüglich zu entfernen. Rechtliche Schritte würden geprüft.

In Großhansdorf führt das Institut für Forstgenetik der Bundesanstalt für Forst- und Holzwirtschaft seit drei Jahren einen Freisetzungsversuch mit rund 450 Zitterpappeln durch, in die das rolC-Gen des Bodenbakteriums Agrobacterium rhizogenes eingebracht wurde. Dieses Gen greift in den Hormonhaushalt der Pappeln ein. Es führt zu helleren Blättern und Kleinwüchsigkeit und gilt den Gentechnikern als sogenannter Marker, das heißt, mit seiner Hilfe kann der Genversuch genau beobachtet werden. Im Unterschied zu ebenfalls gentechnisch manipulierten ein- bis zweijährigen Kulturpflanzen wie Raps, Mais oder Zuckerrüben sind Pappeln langlebig und bieten dem Genforscher also einen langen Beobachtungs- und Untersuchungszeitraum.

Nach Schätzungen der Betreiber hätten die gentechnisch veränderten Pappeln erst nach sieben bis 14 Jahren zum ersten Mal blühen sollen. Daß der erste rolC-Baum nun schon nach drei Jahren Blüten trieb, verdeutlicht laut Steenblock „die Schwierigkeiten der Prognosen bei gentechnisch veränderten Organismen“. Karin Flothmann

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