Press-Schlag: „Hier herrscht Time-out für das Thema Doping“
■ Wie das Team Telekom und seine Freunde ihre Tour-Rückkehr nach Bonn inszenieren
Die Erkennungsmelodie der Blues Brothers ist das moderne Tschingderassabum beim Einmarsch der Radfahr-Gladiatoren in die gläsernen Sponsorenhallen der Telekom-Zentrale in Bonn – ohrenbetäubend gespielt auf Saxophonen und Trommeln. Die Musiker mit Spaceman-Spiff-Brillen, schwarzen Telekom-Kappen und Megaphonsirene marschieren vor Jan Ullrich und seinen Mannen vorbei an 2.000 erwartungsfrohen Managern, Angestellten und Medienleuten, die Wunderkerzen in den Händen halten, um diese auf Kommando zum Sangesduett „That's what friends are for“ von Elton John und Whitney Houston entzünden zu können. Deine Sponsoren, deine Freunde.
Doch zuerst heißt es: klatschen, pfeifen, klatschen, jubeln. Der ARD-Moderator Björn-Hergen Schimpf hatte die Besucher der gestrigen Jubelveranstaltung zur Begrüßung der Telekom-Helden schon vor deren Ankunft geimpft: „Heute und hier herrscht Time-out für das Thema Doping.“ Der Bus des Teams Telekom wird herbeigesehnt, der Stopp an der Ampel von Moderator Schimpf kommentiert, als stehe Michael Schumacher an der Startlinie: „Die Ampel wird grün, Kinder, die Ampel wird grün!“
Und dann kommen sie und laufen vorbei an einer Menschenmenge, die das pinkfarbene Baseballkappen-Fieber gepackt hat, vorbei an lauter kleinen Jan-Ullrich-Imitaten, hinein zu Telekom-Chef Ron Sommer, SPD-Fraktionsvize Rudolf Scharping und Bundestagsvizepräsident Burkhard Hirsch. Voran marschiert die Band und ganz vorne eine dicke Karnevalstrommel, auf der weithin sichtbar das pinkfarbene Telekom-Plakat grell leuchtet: „Saubere Leistung. Danke.“ Es ist das einzige Plakat dieser Art im weiten Rund der Telekom-Empfangshalle.
Und dann gehen sie los, die Lobreden. „Wir setzen auch in Zukunft 100 Prozent auf dieses Team“, sagt Sponsor-Chef Ron Sommer. „Die Mannschaft hat die Farben der Telekom in einer Tour de France voller Tragik und Dramatik überzeugend vertreten.“ Die Radfahrer lächeln.
Burkhard Hirsch sagt: „Für mich wäre eine Welt zusammengebrochen, wenn einer von Ihnen sich hätte dopen lassen. Einen herzlichen Dank dafür, daß Sie faire Sportler geblieben sind.“ Jan Ullrich nickt leicht und schaut zu Boden.
Moderator Björn-Hergen Schimpf setzt zu einer außergewöhnlichen Fragerunde an: Er fragt – und niemand kann ihm antworten. Von Bjarne Riis will Schimpf wissen, „warum aus Dänemark so tolle Sportler kommen, obwohl dort rote Würste gegessen werden und das Bier zehn Mark kostet“. Ja, warum wohl?
Jan Ullrich fragt er, wann denn etwas richtig Komisches passiert sei, „so daß Sie sich richtig vom Rad gekugelt haben“. Ullrich schaut hilflos zu seinen Mannschaftskollegen und dehnt sein Antwort-Ja in die Unendlichkeit: „Jaaaa, was Komisches?“
Aber da ist auch schon keine Zeit mehr für weitere Fragen, und Doping geht ja schon gar nicht. Das Team muß weiter, der Bonner Marktplatz wartet mit 5.000 Zuschauern. Dahin fahren die Telekom-Mannen in Cabrios eines weiteren Sponsors. Und Chef-Sponsor Sommer vergißt natürlich nicht, seinem „Medienpartner ARD zu danken, der uns das alles hautnah hat erleben lassen“.
Es handelt sich hier ganz offensichtlich um eine ganz eigene Welt, in der alles so prima wie im vergangenen Jahr ist. „Daß wir das Gelbe Trikot nicht mit nach Paris gebracht haben, ist nur ein kleiner Schönheitsfehler“, sagt Sommer. Es muß aber irgendwo draußen noch einen zweiten Schönheitsfehler geben, sonst müßte er nicht anfügen, daß man „aktiv dazu beitragen“ wolle, daß „die Tour de France wieder das fairste und sportlichste Radrennen wird“. Am besten aber wäre natürlich, wenn es auch in der anderen Welt so wäre, wie Rudolf Scharping es sich wünscht: „Am besten wäre es beim nächsten Mal“, sagte Deutschlands erster Radfahrer, „wenn gar nicht über Doping diskutiert werden müßte.“ Cornelia Fuchs, Bonn
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