■ Los Angeles jetzt besser nicht besuchen: Erdbebenwarnung
: Die Ottweiler Prophezeiung

Ottweiler ist ein netter Ort. Doch die Fachwerkfassaden der saarländischen Kleinstadt vermögen flüchtige Beobachter leicht zu täuschen. Immer häufiger tragen sich ziemlich ärgerliche Dinge zu, wie die Ottweiler Zeitung zu berichten weiß. In Ausgabe 31/98 vom 31. Juli wird in drei Meldungen und einer Reportage Ungeheuerliches geschildert. Meldung eins: „In die Blumentröge auf den beiden Bahnsteigen des Ottweiler Bahnhofes wurden dieser Tage neue, recht ansprechende Blumen gepflanzt. Und seitlich des Bahnsteiges II ist üppig wucherndes Buschwerk und Unkraut beseitigt worden. Der nun wieder gepflegte Zustand auf den beiden Bahnsteigen wird von Zugreisenden und auch von der Ottweiler Bürgerschaft gewiß sehr begrüßt.“ Die Leserschaft draußen im „Reich“ vermag den hinter diesen Zeilen versteckten Triumph kaum zu ermessen. War doch der Zustand der Tröge in Ausgabe 28 oder 29/98 in mutigem investigative journalism als – so wörtlich – „verwahrlost“ gebrandmarkt worden. In Meldung zwei wird nun ein neuer solcher Fall stilistisch bemerkenswert an das Licht der Öffentlichkeit gebracht. Drei Sätze genügen dem Autor, einem gewissen hjg (Hans- Joachim?), der auch für den wesentlichen Rest des 12seitigen Blattes verantwortlich zeichnet, um reichlich Schmutz aufzuwirbeln. Wir dokumentieren ungekürzt: „Ein Spezialunternehmen besorgt seit einigen Tagen schon Kanalreinigungen im Ottweiler Kernstadt-Bereich. Diese Arbeiten waren notwendig geworden! (Anm. d. R.: das „!“ stammt von Hans-Jürgen). Überraschend lange dauerten die Kanalreinigungsarbeiten in der Bahnhofstraße an.“ Ende der Meldung. Und nun Meldung 3: „Aus den Blumentrögen auf dem Parkplatz im vorderen Bereich der Saarbrücker Straße baumeln Cotoniaster-Ranken nieder. Das schaut im Grün sehr wohl belebend aus. Wir meinen aber, daß man in diese Buschtröge auch Blumen pflanzen sollte. Das würde den von Buschwerk umsäumten Parkplatz noch mehr beleben.“

Gut also – soweit die Einleitung in die Verhältnisse. Das letzte politische Erdbeben geschah hier im Jahre 1553, als marodierende französische Truppen das Kloster niederbrannten. Wie anders ist es zu erklären, daß sich nicht nur „schon seit vielen Jahren der Ottweiler Mitbürger Felix Kiefer aus der Blumenstraße in seinen Mußestunden der Seismologie widmet“, sondern daß dessen Story unserem Hans-Jochen eine mittelgroße Reportage wert ist? „Im Jahre 1978 stellte er, wie er uns wissen ließ, fest, daß Erdbeben und Vulkanausbrüche vorhersehbar sind. Darin sollte er Recht behalten! So wagte Felix Kiefer 1990 seine erste Vorhersage, welche lautete: ,Am 14. Juni 1991 wird sich ein sehr schweres Erdbeben ereignen; leider weiß ich nicht wo; aber der Stichtag ist der 14. Juni 1991.‘ Diese Vorhersage teilte Felix Kiefer Pater Ambrosius Pedo mit, der zu dieser Zeit seine Familie besuchte. Als dieses Erdbeben geschehen war, sandte Pater Ambrosius Pedo Felix Kiefer einen Zeitungsausschnitt mit dem Foto vom Aschenregen des Pinatubo auf den Philippinen zu und das mit dem Datum 15. Juni (Die Zeitrechnung auf den Philippinen liegt acht Stunden früher als in Europa!). Somit ist die Vorhersage von Felix Kiefer auf die Stunde genau eingetroffen!“ Nach dem dritten Ausrufezeichen in sechs Sätzen ahnt der Leser, daß wir uns dem sensationellen Höhepunkt nähern, den unsere in der Provinz verkümmernde journalistische Hoffnung erkundet hat: „Am 2. Januar 1992 sagte Felix Kiefer dieses voraus: ,In der zweiten August-Hälfte wird ein schweres Erdbeben in Panama zu verzeichnen sein. Stichtag: 22. August.‘ Dieses Erdbeben geschah sechs Tage später, also am 28. August, nicht in Panama, sondern in das (sic!) an Panama anrainernde (sic!) Managua!

Nach dieser Vorhersage erkrankte Felix Kiefer körperlich und geistig sehr. Und seine Muße auf die Seismologie mußte sechs Jahre ,ruhen'. Seit Jahresbeginn 1998 dann machte sich Felix Kiefer wieder ,an die Arbeit' – und fand etwas Schreckliches: ,Für mich ist es fast unmöglich, daß dieses Erdbeben nicht entsteht. Und ich wäre ein Lump vor mir selber, wenn ich nichts dagegen unternehmen würde. Meine Vorhersage lautet: Am 9. August, plus-minus zwei Tage, wird ein Jahrhundert-Erdbeben in Los Angeles sein – mit Vorbeben schon vor Mitte Juli! Wenn die Vorbeben kommen, könnte es schon zu spät sein, Vorkehrungen zu treffen. Ich denke an Tankstellen, Chemiefabriken und ähnliche Einrichtungen, welche die Katastrophe verschlimmern können, weil durch Feuer und Rauch die Rettungsarbeiten verzögert werden können oder gar unmöglich sein. Jede Sekunde Verzögerung könnte einem Menschen mehr das Leben kosten.‘“

Bei aller Freude über diese – geradezu armaggedonsche – Prophezeiung hoffen wir doch sehr, daß keine Ausläufer des Bebens den erfreulichen neuen Zustand der Tröge von Bahnsteig II in Mitleidenschaft ziehen werden. Ekkehart Schmidt