What's hot, what's not: Rennen, laufen
■ Warum ich mir „Sieben Tage, sieben Nächte“ mit Harrison Ford nicht ansehen will: Geschmack in und um Hollywood herum
Gefühl stärkster Deprimiertheit. Habe gerade die Lektüre der neuesten Allure beendet. Schuldgefühle. Wenn man es mir nicht schon vorgeworfen hätte, würde ich spätestens jetzt mit der Nase darauf gestoßen, daß „Titanic“ immer noch nicht auf meinem Stundenplan stand. Allure präsentiert die Make-up-Trends für den Herbst/Winter. Gestatte mir an dieser Stelle kurze Übertreibung: Der Trend könnte heißen – Make up Forever. Dies, Leser, war ein Kalauer der übelsten Sorte, denn eine dem kosmetisch-manipulatorischen Imperialismus angehörende Firma namens „Make up Forever“ existiert in den USA tatsächlich.
Zurück zu Allure. Der Look orientiert sich an – „Titanic“. Die Farbskala in ungemein freier Übersetzung und bei strenger Wahrung der Allure-Reihenfolge: „1. Bereift, 2. Frostig, 3. Gefroren, 4. Eisig“. Brrh. Die Models, die Fotos ... Under water love bei Grönland. Lebe ich noch? Muß mich kurz zwicken.
In dem vorgeblichen Horror- Thriller „I know What You Did Last Summer“ gab es eine Szene, wo ein von einem gemeinen Haken-Mörder verfolgter weiblicher Teenager im Kühlraum eines Fischkutters – Seegang, Schütteleffekt! – eine größere Anzahl Leichen findet. Der Allure-Bericht erinnerte mich ungemein an diese Szene, rief jedoch den stärkeren Gruseleffekt in mir hervor. Leider kann ich Ihnen die aktuellen Lippen- und Lidschattenfarben-Namen nicht mehr mitteilen, Leser. Habe das Heft nach erschrockenem Durchblättern komplett weggeworfen. Abonnement gekündigt. Die aktuelle Madonna-CD („Frozen“!) wechselt in den Besitz meines 1,90 m großen kleinen Bruders. Er freut sich nicht.
Fluchtverhalten meinerseits, ohne Zweifel. Wie bei Harrison Ford! Mein stilles Vorbild, obwohl noch unbewußt. Mein vornehmstes Beispiel, wenn auch defätistisch. Meine einsame Entschuldigung für alles Wegrennen. Auch Harrison Ford rennt immer! Ich habe Werbe-Trailer zu „Sieben Tage, sieben Nächte“ gesehen und erkannte es sofort. Da rannte er wieder, der Harrison! Von links nach rechts, von rechts nach links. Mit Anne Heche, ohne Anne Heche. Muß da der eigentliche Film noch in voller Länge erlitten werden? Rein rhetorische Frage. Will man das tatsächlich haben im Kino – diese schmerzliche Erinnerung an den Schulsportunterricht, an die Erbsensuppen-Geländespiele im Rahmen der GST (Gesellschaft für Sport und Technik)?
Jawohl! Auch wenn Ausdauerläufe in der Schule nicht unbedingt meine Stärke waren – Siegen heißt Überwinden. Suche sogleich in meinem wertvollen Kompendium „100 Jahre Kino: Die großen Stars“ herum. Da! Harrison Ford wurde aufgenommen! Weil er ein großer Star ist, natürlich. Immer am Rennen, teils auch auf der Flucht. „Blade Runner“. „The Fugitive“. „Der einzige Zeuge“. „Indiana Jones“! (Angaben ohne Gewähr) Ich muß jetzt mal los, Leser. An den bekümmerten Ford- Falten (rechts und links ab Nase) muß ich noch arbeiten. Aber meine Mundwinkel hängen schon sarkastisch auf halbmast. Anke Westphal
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