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■ Darf Satire das? Der neue „Simplicissimus“ soll nun sogar wöchentlich erscheinenWarnung vor dem Hunde

1896 biß sie erstmals zu. Seitdem ziert die rote Bulldogge den Simplicissimus, der nach seiner wechselvollen, ab 1914 nicht immer heilvollen und ab 1933 Heil- vollen Geschichte stets wieder aus der Versenkung auftauchte. Seit diesem Frühjahr erscheint die „Zeitschrift mit Biß“ nun wieder monatlich, herausgegeben von der „Simplicissimus Verlagsgesellschaft“ in Berlin. Aber: War das wirklich nötig?

Schon die Inhaltsangabe („FASS!“) der aktuellen Ausgabe löst ein Gefühl der Beklemmung aus. „Love-Parade: Aufforderung kann die Masse von einer Million Deutscher nicht widerstehen“ heißt es da; „Antisemitismus: Zum neuen Holocaust ruft eine Hetzschrift und die Justiz?“; das Schwerpunktthema, hochaktuell, ist „Bismarck: Sein Todestag gähnt sich zum hundertsten mal. Er stand am Anfang des nationalen Größenwahns und das Ende?“

Ohne Punkt und Komma, doch mit vielen Fragezeichen, werden die heißen Eisen „geFASSt“. Das schwerste aller Schwerpunktthemen aber ist Helmut Kohl; besonders in dieser Nummer, die den Stempel „Verkohlte Ausgabe“ trägt. Krampfhaft wird es ihm, neben vielen Randnotizen und Seitenhieben, im Rubrum „Rattatatta...“ so richtig gegeben. Unter der Headline „Pest und Kohlära“ finden sich Kohl-Witze und -Kalauer, wie man sie sonst nur noch von Wortspielhöllenfürsten aus dem Kabarett kennt: Auch der vierte Simplicissimus ist so grotten-, ja garottenschlecht, daß einem der Brechreiz beim bloßen Betrachten schier die Luft abwürgt.

Die Texte sind, wenn nicht nachgedruckt, schlecht geschrieben und strotzen vor Fehlern. Die Zeichnungen wollen so aussehen wie die zu Gründerzeiten, ohne auch nur annähernd deren künstlerische, geschweige denn komische Qualität zu erreichen (siehe Abbildung). Und alles zusammen ist so durchweg und derart einfallslos, unlustig, ironiefrei und humorfern, daß sich noch jede einzelne Nummer des Eulenspiegel wie ein unerschöpflicher Quell trefflichster Hochkomik dagegen ausnimmt. Dazu kommt die an Realitätsverlust grenzende Selbstüberschätzung der Macher, die sie bar jeglicher Selbstironie allenthalben an den Tag legen. „Heute wäre Tucho bei uns nicht nur Leser, sondern auch Autor“, heißt es da so eitel wie dumm. Wie kommt's, daß sich dann im Impressum kein einziger bekannter Name lebender Satireschaffender findet außer Bucho, pardon: Martin Buchholz?

Das kommt davon, wenn man bei der Präsentation einer Satirezeitschrift anwesende Könner nicht etwa um Mitarbeit angeht, sondern um Geld anhaut. Die Aufforderung, „sich an dem Projekt zu beteiligen ideel, und oder finanziell“, erging danach auch schriftlich. Den ausbleibenden Massenerfolg führt man jedoch nicht auf fehlende Kompetenz, sondern auf bislang fehlendes Marketing zurück. Man hatte zwar eine „sehr gute Bilanz in den Medien“, so Chefredakteur Hari Winz, „aber das sind ja Nischen, kommt spät abends oder steht auf der Kulturseite“.

Klar, wer spät abends noch Kultursendungen folgen oder gar Kulturseiten lesen kann, ist nicht so blöd, dieses Blatt zu kaufen. Einige Blöde (Käufer oder Investoren) aber bräuchte man schon, will man die Drohung wahrmachen, das Blatt ab Herbst wöchentlich herauszubringen. Dafür sieht der „Businessplan“ vor, „daß wir dann reduzieren von sechzehn auf acht Seiten und ein bißchen weniger Grafik machen. Dann wird der Preis sich auch reduzieren, aber vielleicht müssen wir das verschieben.“

Unnötige Rechenschiebereien, wo doch im Grund nur eins nötig ist: die silberne Kugel, die diesen zum leb- und zahnlosen Zombie mutierten Wiedergänger eines weiland würdevollen Wadelbeißers endgültig niederstreckt. Ludwig Lang

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