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Bremerinnen im Börsenfieber

■ 300 Bremerinnen mit mehr Geld als Aktien-Ahnung gründen per Inserat einen „Frauenaktienclub“

Worte wie „Geld“ und „Glück“ und vielleicht „Frau“ und „Geschäft“ liegen für Christa Müller dicht beeinander. Da wegen des aktuellen Niedrigzinsrekords für Gespartes allerdings wenig Glück – sprich Zins – ins Haus steht, sann die Betriebswirtin und Finanzberaterin jetzt auf Abhilfe. Per Zeitungsinserat lud sie zur Gründung eines „Frauenaktienclubs“ ein – mit durchschlagendem Erfolg. Gleich nach den Sommerferien steigt ihr erster neugegründeter Frauenaktienclub ins Wertpapiergeschäft ein. Weitere Gruppen mit maximal je 30 Mitgliedern werden folgen, denn über 300 Bremerinnen ließen die Telefondrähte in Christa Müllers Schwachhauser Finanzbüro drei Tage lang heiß laufen. „Mit einem solchen Interesse hätte ich nie gerechnet“, erklärte die Mittvierzigerin am ersten offiziellen Informationsabend vor rund 60 Interessentinnen zwischen 30 und 70 Jahren, warum so viele von ihnen nur einen Stehplatz bekommen hatten.

Das Prinzip der Effektenclubs ist einfach, wenn auch nicht ganz so simpel wie seine Legende. Die geht so: Mit ein bißchen Geschick und Witz, noch dazu in netter, weiblicher Gesellschaft, lassen sich schnell ein paar Mark Dividende dazuverdienen. Vorausgesetzt, Frau hat (erstens) Geld und investiert es (zweitens) an richtiger Stelle. Das tun Nordamerikanerinnen nun schon seit über zwanzig Jahren; in Deutschland schießen derartige Clubs erst jetzt wie Pilze aus dem Boden. In der Hansestadt ist jedoch nur eine – rein weibliche – Frühform bekannt: Der Frauenaktienclub „Flora“ der Bank Companie Nord. An die hatte sich Christa Müller zwecks Kooperation gewendet, vergebens. Jetzt macht sie mit der Kreissparkasse Syke gemeinsame Sache. Deren Expertinnen Hilke Langer und Marike Haartje beraten die erwarteten Club-Neugründungen – und stellen dabei, trotz der guten, vergangenen Aktienjahre, nicht nur Gewinne von rund 15 Prozent in Aussicht. „Es kann auch Minus geben“, warnt Anlagenberaterin Hilke Langer. Mit „gemischten Clubs“, mit Damen und Herren also, hat ihr Haus bereits Erfahrung.

Die Finanzberaterin Müller dagegen betritt in gewisser Weise Neuland. Zwar berät sie schon lange Frauen in Geldangelegenheiten nach der Devise: „Ich will Frauen ein Tor zur Finanzwelt öffnen“. Doch ein solcher Club wäre auch ihr erster. Ihm wird sie, unbezahlt, einen Abend pro Monat widmen. Vorerst jedenfalls. Denn häufigere Treffen wird es nicht geben – und irgendwann, wenn die Clubfrauen genug wissen, ist jede Betreuung überflüssig. Noch aber beweist die Fingerprobe unter den 60 wissenshungrigen Clubinteressentinnen: Zur klassischen Club-Klientel gehören vor allem Frauen mit ein paar Mark extra – und wenig Ahnung vom Aktienhandel. „Dax und Dividende, für mich sind das Fremdwörter“, bekannte eine Zuhörerin mutig – viele andere nickten. Nicht ohne skeptisch in die Runde zu werfen: „Gibt es mit 30 Frauen im Club nicht zu viele Diskussionen?“

„Das wird sich legen“, schätzen die Finanzfachfrauen. Schließlich gebe es dafür nur begrenzt Zeit. „Und sie wollen ja auch noch Aktien kaufen und verkaufen.“ Nichts anderes nämlich geschieht an den Clubabenden; dafür legt jede einmalig 5.000 und monatlich 100 Mark ein. Mehr Einlage ist möglich, damit erhöht sich anteilig auch der Gewinn – oder Verlust, nicht aber das Stimmrecht. Auch sonst sollen klare Regeln gelten. Die Vorlagen dafür sind von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Eine heikle Frage können die jedoch auch nicht beantworten. „Was passiert, wenn diejenigen, die das Geld verwalten, plötzlich ab durch die Mitte gehen?“, will eine Frau wissen. „Da sammelt sich ja kein Taschengeld an.“

Strenge Gewaltenteilung müsse schon herrschen, rät Christa Müller, ganz im Einklang mit Wertpapierberatern der Bremer Sparkasse, denen Aktienklubs schon länger geläufig sind. Nur Kontrolle sichere die Einlagen – und etwa Vermerke, daß das Geld nur in neue Anlagen gesteckt, nicht aber in bar abgehoben werden kann. Ganz überzeugen kann sie damit nicht alle Interessentinnen. „Mir sind das hier zu viele Frauen“, sagt die pensionierte Beamtin im Gehen. Sie werde sich daran nicht beteiligen. Einer anderen geht das alles viel zu schnell. „Ich dachte, wir lernen erstmal quasi trocken“, sagt die Enddreißigerin. Nicht, daß sie kein Geld hätte. Aber ein wenig die Börse beobachten, spekulieren und ausrechnen, was der Kauf oder Verkauf gebracht hätten, würden ihr für den Anfang schon reichen. Die Einschätzung von Hilke Langer, „Es muß doch auch was Spekulatives, was mit Pep drin sein“, hatte sie eher mißtrauisch gestimmt. ede

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