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Dreßler ungewöhnlich offensiv

Der SPD-Sozialexperte kündigt für einen Wahlsieg an: SPD wird für 620-Mark-Jobs „sofort“ die Sozialversicherungspflicht einführen. Scheinselbständige sollen folgen  ■ Aus Bonn Bettina Gaus

Der SPD-Sozialexperte Rudolf Dreßler geht in die Offensive. Er kündigte gestern in Bonn für den Fall eines Wahlsieges seiner Partei mehrere einschneidende Sofortmaßnahmen an, darunter die „sofortige“ Einführung der Sozialversicherungspflicht für 620-Mark- Jobs und die „baldige“ Einführung dieser Beitragspflicht für rund eine Million Scheinselbständige.

Außerdem wird Dreßler zufolge eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung die von der Koalition beschlossene Kürzung des Rentenniveaus „unverzüglich“ rückgängig machen. Der Bundestagsabgeordnete betonte, diese Maßnahmen ergäben sich „zwingend“ aus dem Ablauf von Fristen.

Derart konkrete Angaben sind bislang nur selten in einem von Freund und Feind als inhaltsleer bezeichneten SPD-Wahlkampf zu hören gewesen. Kanzlerkandidat Gerhard Schröder verweist im Zusammenhang mit politischen Zielen grundsätzlich auf den „Finanzierungsvorbehalt“, stellt also den Kassensturz vor die Umsetzung von Forderungen. Rudolf Dreßler betonte dagegen gestern, die Verpflichtung zu einer Korrektur des Rentenniveaus ergebe sich aus dem Wahlprogramm seiner Partei. Die Einführung der Sozialversicherungspflicht begründete er mit der Notwendigkeit, die Beiträge zur Rentenversicherung stabil zu halten.

Da der Rentenversicherungsbeitrag für 1999 spätestens in der Bundesratssitzung am 18. Dezember beschlossen werden müsse, müßte die Einführung der Sozialversicherungspflicht für 620-Mark- Verträge unverzüglich erfolgen. Geschehe dies nicht, sei eine Beitragssatzerhöhung zum 1. Januar nächsten Jahres „nahezu unausweichlich“, erklärte Dreßler. Würde die Niveaukürzung des Rentenniveaus nicht rückgängig gemacht, so bedeutete dies 1999 für die Rentner „eine Nullrunde“, angesichts einer möglichen Beitragssatzerhöhung bei einigen Krankenkassen „sogar eine reale Rentenkürzung“, so der SPD-Sozialexperte. „Dies ist bei sozialdemokratischer Regierungsführung für mich schlechterdings nicht vorstellbar.“

Scharfe Angriffe richtete Dreßler gegen Arbeitsminister Norbert Blüm, den er aufforderte, in der Diskussion über die Rentenkassen „noch nicht einmal die halbe Wahrheit“ zu sagen. Dessen Einschätzung, zum Jahresende sei eine leichte Absenkung des Rentenbeitragssatzes möglich, stehe „auf tönernen Füßen“. Aus dem jüngsten Rentenversicherungsbericht der Regierung gehe hervor, so der SPD-Sozialexperte, daß die Beiträge im laufenden Jahr um 0,3 Prozent zu niedrig angesetzt seien.

In der Gesundheitspolitik forderte Dreßler den „Koppelungsmechanismus von Beitragssatzerhöhung und Zuzahlungserhöhung unverzüglich aus dem Gesetz“ zu entfernen. Es sei damit zu rechnen, daß viele Krankenkasen zum 1. Januar 1999 die Beitragssätze anheben müßten. Das würde dazu führen, daß Patienten zehn Mark mehr als bisher für verschriebene Medikamente selbst bezahlen müßten.

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