■ Nachschlag: Beziehung goes Gewohnheit: theater eos in der Werkstatt des Schiller Theaters
Und ewig grüßt das Alltagstier. Martha und Wilhelm ziehen nach dem Krieg aufs Land, leben für das Überleben, küssen sich nach dem Aufstehen und kriegen schön Kinder. Isoliert von der Außenwelt, versichern sie sich regelmäßig ihr Glück mit der Frage „Na, schön?“ Die Wiederkehr des Gleichen hält so lange an, bis der Nachbar Hans den Kreislauf des Ehereaktors stört. Wilhelm trifft den Zechkumpan bei der Arbeit auf dem Feld, fühlt sich verstanden und empfindet letztlich mehr als nur die Lust auf ein gemeinsames Stamperl Schnaps. Verborgene Wünsche und Neigungen dringen in seine Träume. Kommunikation zwischen den Ehepartnern dagegen findet nicht statt: die beiden Stühle in dem kleinen, karg ausgestatteten Zimmer stehen weit voneinander entfernt, der Austausch beschränkt sich auf den (Pflicht-)Akt unter der Bettdecke.
Das Theater eos zeigt in der Schiller Theater Werkstatt „Un- heimlich besetzt“, ein Schauspiel um Liebe und Sehnsucht von Andreas Janes. Ein Schauspiel im wahrsten Sinne des Wortes, denn Janes meidet Worte und stellt den Körper in den Vordergrund. Sein „physical theatre“ betont das Visuelle, die Körpersprache und den Tanz. Eindrucksvoll unterbrechen Sheri Hagen (Martha) und Nikolaus Schlieper (Wilhelm) den narrativen Fortgang der Handlung durch spielerische Elemente und durch Tanztheater: ein hektisches Tanzen der Alltagsmaloche etwa oder wellenförmige Armbewegungen, die Marthas kleine Fluchten in ihren Freiraum der Phantasie begleiten. Am meisten sprechen die beiden dann, wenn sie sich nichts zu sagen haben. Das Eigentliche sinkt ins Unbewußte.
Der Stau der Gereiztheit hat kein Ventil, die Komplimente füreinander versiegen, und Hans (Hubertus Regout) darf am Rande Katalysator spielen. Da ist zusammen, was vielleicht schon längst nicht mehr zusammengehört. Die Qual dieser ehelichen Symbiose trägt Janes mit seiner Inszenierung in die Zuschauer hinein: Er bietet keinen erlösenden Zeitraffer, sondern arbeitet mit Wiederholung und minimalen Veränderungen. Das ist ein gelungenes Spiel mit der Anspannung und Erkenntnis des Betrachters. Leider winkt manchmal zu sehr der Zaunpfahl: der Sound des Kettenrasselns wirkt ähnlich krampfhaft wie der Bindestrichname des Stücks. Die Katastrophe bleibt am Schluß nicht aus: Hans findet ins Bett mit den beiden und erzeugt viele Fragezeichen, die fein stehenbleiben. Michael Neubauer
Weitere Aufführungen: heute bis 15. August, 20 Uhr 30, Schiller Theater Werkstatt, Bismarckstr. 110, Charlottenburg
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