: Die Hirtreitersche McDonald's-Philosophie
■ Der Verlagsleiter der Passauer Presse kauft die traditionsreiche polnische Regionalzeitung „Gazeta Olsztynska“ – Politiker protestieren gegen den Ausverkauf nationaler Symbole
Warschau (taz) – Manche Verleger kaufen Zeitungen wie andere Leute Semmeln. „Wir konzentrieren uns auf lokale Zeitungen, die, mit Verlaub, etwas Gemeinsames mit McDonald's haben“, bekannte Franz Xaver Hirtreiter von der Verlagsgruppe Passauer Presse im Mai dieses Jahres in einem Interview mit dem deutsch-polnischen Magazin Dialog. Der deutsche Großkunde taucht in Polen immer dann auf, wenn ein Verlag in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Meist wechselt dann eine Zeitung, manchmal auch gleich mehrere den Besitzer. Doch die Hirtreitersche McDonald's-Philosophie („Lokalzeitungen werden auf der ganzen Welt nach demselben Modell gemacht“) hat nun einige Politiker Polens auf den Plan gerufen. In einem offenen Brief wirft beispielsweise Senator Janusz Lorenz dem Deutschen vor: „Herr Hirtreiter! Man kauft nicht die Symbole anderer Länder!“
Die Abgeordnete Halina Nowina-Konopka fordert Hirtreiter sogar auf, den Kauf des Verlages „Edytor“ rückgängig zu machen: „Der Titel Gazeta Olsztynska war ein Symbol des Kampfes gegen die Germanisierung dieses Landstriches. Besitzer wie Redakteure bezahlten ihr Handeln mit dem Leben“, schreibt die nationalkonservative Politikerin. Und Lorenz, ihr politischer Gegner vom postkommunistischen Demokratischen Linksbündnis (SLD), pflichtet ihr ausnahmsweise bei: „Der Ankauf dieser Zeitung durch einen deutschen Bürger trägt Züge einer Provokation und stört zweifellos die Normalisierung der deutsch-polnischen Beziehungen.“
Tatsächlich ist die Gazeta Olsztynska für die meisten Leser in Allenstein durchaus keine Informationsquelle im McDonald's-Stil, sondern ein traditionsreiches Blatt, das auf eine ruhmreiche Geschichte zurückblicken kann. Vor über 100 Jahren wurde sie als polnische Zeitung in der ostpreußischen Regierungshauptstadt Allenstein gegründet. In der Stadt, die seit der ersten Teilung Polens 1772 zu Preußen gehörte, verteidigte das Blatt vehement die Rechte der im Deutschen Reich unterdrückten Polen.
Für die Politiker macht es keinen Unterschied, ob der Käufer, wie in diesem Falle, Franz Xaver Hirtreiter persönlich ist oder der Verlag Polskapresse, der als Tochterunternehmen der Passauer Presse seit 1994 rund ein Dutzend Lokal- und Regionalzeitungen in ganz Polen aufgekauft hat und 2.500 Mitarbeiter beschäftigt. Der Mann mit dem für Polen kaum auszusprechenden Namen beteuert zwar immer wieder, daß er die Pressefreiheit für ein heiliges Gut halte und er sich in die redaktionelle Arbeit seiner polnischen Zeitungen nicht einmische, doch seit seinem Entschuldigungsbrief an Präsident Kwasniewski für einen Artikel im Dziennik Baltycki (Ostsee-Tageblatt) nimmt ihm das niemand mehr so richtig ab. Die in Danzig erscheinende Zeitung hatte nämlich eine „journalistische Bombe“ zünden wollen und Kwasniewski angeblicher Kontakte mit dem russischen Geheimdienst bezichtigt, aber letztlich keine Beweise vorlegen können. Für Aufregung sorgte weniger die Entschuldigung Hirtreiters selbst, denn der moralisierende Ton und der Unheil ankündigende Satz: „Wie Ihnen bekannt ist, ist es unsere Absicht, die polnischen Zeitungen von polnischen Journalisten redigieren zu lassen. Die ausländischen Eigentümer sollen keinen Einfluß auf die polnische Presse haben. Die Affäre mit dem Dziennik Baltycki zwingt mich dazu, dieses Prinzip zu überdenken.“
In der Gazeta Olsztynska sieht man den Besitzerwechsel gelassener. „Die Leser wollen vor allem eine gute Zeitung“, sagt Chefredakteur Zdzislaw Szymocha. „Dafür brauchen wir Investitionen. Durch das Geld von Hirtreiter wird die Unabhängigkeit des Blattes nicht beschränkt.“ Zudem komme die mit einer Auflage von 40.000 Exemplaren größte Zeitung der Region bald in Farbe heraus. Gabriele Lesser
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