„Wir sichern alle Spuren, die es gibt“

■ Abteilungsleiter der Kriminalpolizei wehrt sich gegen Kritik der Notruf-Frauen

Alles ist ganz anders. Im Gespräch mit der taz verwehrt sich Kripo-Dienststellenleiter Bernd Kipcke gegen die am Montag veröffentlichte Kritik von „Notruf e.V.“, seine Abteilung zur Ermittlung von Sexualdelikten würde nicht ernsthaft arbeiten.

„Die Kollegen hier sind hochmotiviert und haben ein großes Interesse, die Täter zu ermitteln“, sagt Kippke. Probleme gebe es allenfalls aufgrund der mangelnden personellen und technischen Ausstattung. So sei bereits seit 1992 nicht mehr gewährleistet, daß zu jeder Tageszeit eine Beamtin zur Verfügung steht, um weibliche Opfer zu vernehmen. Auch wäre die sehr wohl vorhandene Kartei von Straftätern und Straftaten einfacher zu handhaben, wenn sie nicht aus unhandlichen Pappkarten bestünde. Der Segen der EDV hat bei der Kripo noch nicht überall Einzug gehalten.

Wie berichtet, moniert „Notruf e.V.“ mangelhafte Spurensicherung nach Vergewaltigungen sowie fehlende rechtsmedizinische Untersuchungen der Opfer, die die spätere Anklage vor Gericht stützen helfen. „Unsere Aufgabe ist es, die Frauen zu unterstützen, indem wir nach objektiven Beweisen suchen“, meint auch Kripo-Mann Kipcke. Dazu gehörten „alle Spurensicherungen an Körpern und Tatort, die es überhaupt nur gibt“.

Kipcke räumt ein, daß nicht alle Opfer gynäkologisch und rechtsmedizinisch untersucht werden, und begründet dies mit den Folgeschäden solcher Prozeduren. Wenn beispielsweise am Tatort ein benutztes Kondon gefunden wurde, sei eine gynäkologische Untersuchung nicht immer nötig. Auch reiche es aus, wenn Gewaltspuren wie Hämatome von der Kripo fotografiert werden, ohne einen Rechtsmediziner einzuschalten.

In dem von „Notruf e.V.“ angeführten Fall der Sabine S., so Kip-cke weiter, habe sich das Nehmen von Fingerabdrücken am Tatort nicht angeboten, weil die Oberfläche der besagten Küchenplatte dafür nicht geeignet gewesen sei. Auch stimme es nicht, daß die Adresse des Zeugen, der den flüchtigen Täter kurz sah, verloren ging. Vielmehr sei dessen Aussage unbrauchbar gewesen, weil er den Täter nur von hinten sah.

Fragt sich, warum Sabine S. auf Nachfrage die Adresse nicht bekam? Es gebe sicher einen Informationsbedarf der Frauen, „den wir nicht in der Lage sind zu decken“, sagt Kipcke. Beispielsweise, wenn die Akte bei der Staatsanwaltschaft liegt. Generell aber könnten die Opfer „alle Informationen, die wir haben, auch erfragen“.

Eine Information freilich kann der Kripo-Mann nicht geben: die Erfolgsquote beim Finden unbekannter Täter. Weil es „nur zusätzliche Arbeit macht“, so Kipcke, werde dies nicht ausgewertet. Nicht ohne Grund, glauben die Kritikerinnen von Notruf. So ist die Zahl der jährlich aufgeklärten Fälle (68 Prozent) der Zahl der „Beziehungstaten“ (Zweidrittel), bei denen der Beschuldigte schon bekannt ist, verdächtig nah. kaj