Schön tiefgefroren

■ Laurie Anderson eröffnete mit ihrer neuesten Produktion den West Port

Der Anfang war einfach schön, diese Mischung aus japanischem Theater und einer Inszenierung von Robert Wilson. Wechselweise verschoben sich Leinwandquadrate, und Laurie Anderson, die damit das diesjährige West Port-Festival eröffnete, verschwand, tauchte auf und ruderte mit den Armen im Halbdunkel. Eine ausladende Computerapparatur warf Bilder auf die insgesamt fünf Projektionsflächen, in den Ecken hingen noch derer zwei in Tennisballform.

Dabei abstrahierten die Videofilme kaum von jenen Geschichten, die Laurie Anderson zu unförmigem Ambient erzählte. Zentrale Wörter wurden meist allzu deutlich mit geringem Zusatzeindruck bildlich inszeniert. Überschwemmte Landflächen zu „muddy waters“, Pixels beim Interview mit Nicolas Cage und ein Comic-Kürbis, dem die Schädeldecke abfällt, nach der auf deutsch und ohne Töne vorgetragenen Geschichte ihrer Höhenkrankheit in Tibet.

Bis zur Pause legte der Welt begehrteste Performerin in der am Samstag mit Kultur-Intelligenzia nahezu ausverkauften Musikhalle ihr Konzert ausgesprochen anekdotisch an: Großstädtische Fairytales, moderne Mythen und – zur Überraschung – eine Menge lakonischen Humors versammelte sie unter dem Titel The Nerve Bible.

Nach der Pause variierte Anderson dann einige Songs ihrer Bright-Red-LP, vor allem aber sägte sie kakophonisch auf ihrer Geige, in deren Bogen eine Kamera eingearbeitet war, die ihre beiden Gesichtshälften umgekehrt an die Leinwände spiegelte. Nun wurden apokalyptische Szenarien entworfen, Derwische und Totenköpfe flackerten, bis sich am Ende alles in einem grün vernebelten Scheinwerfer verlor. Dazu eingespieltes Vogelgezwitscher holte unvermutet einen synthetischen Himmel in die Kuppel. Auch wenn das Konzert der Illusionistin eher eine tiefgefrorene Angelegenheit darstellte, bestach doch die Präzision, mit der sie, im Gegensatz zu vielen Videokünstlern, ihre Apparate handhabt.

Volker Marquardt