: Boom trotz Unsicherheiten
Die Novellierung des Stromeinspeisegesetzes birgt für Windkraftanlagen-Betreiber Risiken. Doch im Vergleich zum Vorjahr wurden 46 Prozent mehr Strom erzeugt ■ Von Heike Gläser
Die Windkraftbranche boomt: Laut einer Umfrage des Bundesverbandes WindEnergie e.V. (BWE) bei den Windkraftherstellern wurden im ersten Halbjahr 1998 bundesweit 439 Windkraftanlagen (WKA) mit einer Gesamtleistung von 309 Megawatt neu installiert. Das entspricht einem Marktwachstum von fast 46 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Die Gründe dafür liegen aber nicht nur in der Novellierung des Stromeinspeisungsgesetzes vom 24. April 1998, meint Christian Hinsch, Sprecher des BWE in Osnabrück. Trotz mehrfacher Versuche der CDU und der großen Energieversorger das Einspeisegesetz zu kippen, das die Abnahme und Vergütung erneuerbarer Energien durch öffentliche Elektrizitäts-Versorgungsunternehmen (EVU) regelt, wurde es nun vorerst bestätigt. Derzeit liegt die Höhe der Vergütung bei 16,79 Pfennig pro kW-Stunde, im kommenden Jahr werden es nur noch 16,52 Pfennig sein.
Doch wenn die Einspeisung erneuerbarer Energien die Fünfprozenthürde überschreitet, müssen dem aufnehmenden EVU die Mehrkosten, die durch diesen Anteil übersteigenden kW-Stunden entstehen, erstattet werden. Die Kreuzberger Firma Südwind Energiesysteme GmbH rechnet bereits 1999 mit der Erreichung der fünf Prozent. „Wenn die fünf Prozent voll sind, dann ist Schluß mit der Förderung“, meint Martin Kühl von Südwind. Der BWE ist gleicher Ansicht, geht aber für das Erreichen der Fünfprozentmarke von einem späteren Zeitpunkt aus. In dem neuen Gesetz ist verankert, daß dann wieder im Bundestag neu verhandelt werdem muß.
Südwind hat sich nach dem Konkurs vor zwei Jahren erholt. Unter dem neuen Namen Südwind Energiesysteme GmbH und abgesichert durch einen privaten Investor expandiert das Unternehmen, das aus einer TU-Arbeitsgruppe entstanden ist, langsam aber stetig. Inzwischen hat Südwind 50 Mitarbeiter, beliefert Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und NRW und erobert nun den internationalen Markt. Bisher 70 Anlagen haben sie nach Indien exportiert, und soeben wurde ein Vertrag über weitere 20 Anlagen unterschrieben.
„Wir verkaufen unser Wissen, das bedeutet Lizenzen beispielsweise an Partner in Indien, die dann vor Ort die Teile der Anlagen herstellen“, erklärt Martin Kühl.
Die Diskussion um das Stromeinspeisegesetz habe noch im Vorjahr zu Unsicherheit geführt. Nach der Novellierung gebe es aber für Südwind mehr Planungssicherheit. Dazu kommt die Baugesetzgebung, die erfordert, daß die Gemeinden bis Ende 1998 Gebiete für die Windkraftnutzung positiv ausweist. Zudem produziere Südwind die leisesten Anlagen, was dem immer wieder angeführten Argument der Windkraftgegner, daß die Geräuschemission zu hoch sei, den Wind regelrecht aus den Segeln nimmt.
„In Brandenburg laufen die Genehmigungsverfahren allerdings schleppend“, meint Martin Kühl. Da hilft auch der Windkrafterlaß, den das brandenburgische Umweltministerium herausgegeben hat, nur wenig. „Dabei handelt es sich lediglich um eine politische Willensbekundung“, so Kühl weiter. Der Windkrafterlaß soll die Planung und den Bau von Windkraftanlagen vereinfachen. In dem Erlaß zur landesplanerischen und naturschutzrechtlichen Beurteilung von Windkraftanlagen werden etwa die Hälfte des Landes als Eignungsbereiche festgelegt.
„Windkraftanlagen werden immer sichtbar sein und das Landschaftsbild beeinträchtigen. Darüber muß man sich klar sein, wenn man saubere Energien will“, meint Hans-Jürgen Knaak von der Brandenburger Wind- und Umwelttechnologien GmbH (bwu) in Britz. Die bwu ist im dritten Betriebsjahr und beliefert Thüringen, Niedersachsen und Brandenburg. Die Branche unterliege starken Schwankungen, so Knaak, das merke man vor allem an den Banken, die seiner Meinung nach die Novellierung des Einspeisegesetzes zum Anlaß nehmen, keine Kredite zu geben. „Wir rechnen konservativ“, meint Gisela Schulze, Firmenkundenberaterin der Dresdner Bank in Stralsund. „Wir rechnen mit einer rückläufigen Einspeisevergütung für die nächsten Jahre.“
Brandenburg liegt nach Mecklenburg-Vorpommern an der Spitze der neuen Bundesländer in Sachen Windkraft. 1991 wurde die erste Anlage gebaut, inzwischen sind es 250 WKA. Insgesamt förderte das Land Brandenburg von 1991 bis 1997 mit knapp 90 Millionen Mark erneuerbare Energien. Davon flossen 52,5 Millionen Mark in die Windkraft. Trotz knapper Haushaltsmittel will das Land Brandenburg den Anteil erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2010 von heute zwei auf fünf Prozent anheben.
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