piwik no script img

Selbsthilfe bei drei Vierteln der Umzüge

■ Während Relocation-Agenturen den Umzug de Luxe für Manager organisieren, muß sich das Gros der Berliner noch immer mit Robben & Wientjes und in Schwarzarbeit abgeschliffenen Dielen begnügen

Nicht jeder in Berlin bekommt seinen Umzug von der Firma finanziert. Und nicht jeder kann sich einen Relocation-Service leisten. Für das Gros der umzugswütigen Hauptstädter bleibt daher nur die Devise „Hilfe zur Selbsthilfe“. Und die läßt sich derzeit am ehesten am samstäglichen Aufkommen der Robben & Wientjes-Pritschenwagen auf den Straßen der Stadt ablesen.

500.000 Hauptstädter – jeder siebte Berliner also – sind nach Angaben des Statistischen Landesamtes im vergangenen Jahr umgezogen. Das ist, nach den verhaltenen Wanderungsbewegungen der Nachwendezeit, rekordverdächtig. Und die Tendenz steigt. Glaubt man einer Studie des Instituts Prognos, so wird sich die Berliner Bevölkerung bis zum Jahre 2010 zu einem Drittel „austauschen“. Arbeitsreiche Zeiten also für die „Umzugsbranche“: nicht nur für Relocation-Agenturen, sondern auch für die freiwilligen Helfer aus dem Freundeskreis. Denn nur jeder vierte Berliner läßt sich den Umzug professionell organisieren. Kein Wunder, kostet doch der Ortswechsel eines Dreizimmerhaushalts durchschnittlich immerhin 2.500 Mark.

So ist bei der Spedition Zapf bereits seit längerem die Nachfrage nach sogenannten Utensilien für Selbstumzieher gestiegen. Auch die Firma Robben & Wientjes, die Lkws ausschließlich an Selbstfahrer vermietet, kann nicht klagen. „Vor allem im letzten Jahr hat das Geschäft zugenommen“, sagt Mitinhaber Dietmar Robben. Mittlerweile beschäftigt das 1978 gegründete Unternehmen 40 Mitarbeiter in den drei Filialen in Kreuzberg, Neukölln und Prenzlauer Berg. Vor allem an den Wochenenden, weiß Robbens Kompagnon Ulrich Wientjes, sei es sehr schwer, kurzfristig einen Lkw zu bekommen.

Auch die Telekom weiß ein Lied zu singen von der gestiegenen Umzugsfreudigkeit der Berliner. „Bei der Anmeldung und Abmeldung der Telefonanschlüsse“, so Telekom-Sprecher Bernhard Krüger, „gibt es eine starke Fluktuation.“ Und nicht jeder hat dabei das Glück, mit seiner alten Telefonnummer in die neue Wohnung zu ziehen. „Das funktioniert nur“, so Krüger, „wenn die Wohnung im selben Anschlußbereich liegt.“ Da es aber weit mehr Anschlußbereiche als Bezirke in Berlin gibt, müsse man da schon großes Glück haben.

Glück hat auch die Möbelbranche. Zwar sei die verstärkte Nachfrage durch die gestiegene Umzugstätigkeit in Berlin nicht meßbar, sagt der Sprecher des Möbelhauses Ikea. Doch die gestiegene Fluktuation sei durchaus eine Größe, mit der man als „dynamischem Faktor“ arbeiten könne.

Ganz und gar nicht dynamisch ist dagegen die Situation der Dielenabschleifer. Im Gegenteil. In der Branche rumort es gewaltig. Als Grund nennt ein Mitarbeiter der Firma Kubik in der Graefestraße nicht nur die gestiegene Konkurrenz. Auch die Schwarzschleifer machen den legalen Parkettdealern immer mehr zu schaffen. „Mit 30 Mark pro Quadratmeter können wir einfach nicht mithalten“, so der Mitarbeiter.

Namentlich an der Dielenbranche ist auch der knappe Geldbeutel der Berliner Umzügler ablesbar. Zwar gehören abgeschliffene Dielen mittlerweile auch zum alternativ-billigen Standard. Aber schon für Ökolacke reicht das Geld nicht mehr. Und teures Parkett ist in der Hauptstadt ohnehin kaum zu betreten. „In diesem Bereich“, so heißt es bei Kubik, „ist die Nachfrage sehr gering.“ Das Standard-Stäbchenparkett kostet 139 Mark pro Quadratmeter.

Daß die Berliner trotz allen Geredes von der Stadtflucht noch immer am liebsten innerhalb der Stadt umziehen, läßt sich nicht zuletzt an den „Kundenbewegungen“ der Bewag ablesen. Unter den 300.000 Ab- und Anmeldungen 1997 waren nur 10.000 bis 15.000 Wegzüge aus und Zuzüge in die Stadt zu verzeichnen, so Bewag-Sprecher Uwe Lemm.

Und der Regierungsumzug? Der falle gar nicht mehr ins Gewicht, zitiert Robben & Wientjes- Inhaber Ulrich Robben seinen Branchenkollegen Zapf. Der sei schon zu 70 Prozent gelaufen. Uwe Rada

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen