: Neue Beweise für Treibhauseffekt
Die Erde erwärmt sich doch schneller als bisher gedacht. Das zeigt eine neue Überprüfung der Temperaturmessungen. Ein sinkender Satellit soll Klimaforscher bislang auf die falsche Fährte gelockt haben ■ Von Matthias Urbach
Berlin (taz) – Die Zweifler am Treibhauseffekt verlieren ihr stärkstes Argument. Jahrelang haben sie genüßlich auf die Temperaturdaten von US-Wettersatelliten verwiesen, nach denen sich die Luftschichten in 3,5 Kilometer Höhe alle zehn Jahre um 0,05 Grad abgekühlt haben sollen. Wenn sich die globale Erwärmung schon kurz über der Erdoberfläche in eine Abkühlung verkehre, könne es mit ihr doch gar nicht so weit her sein, argumentierten sie. Nur: Wie sich jetzt herausstellt, waren die Messungen falsch berechnet.
Der Physiker Frank Wentz, Leiter der kalifornischen Firma Remote Sensing Systems, überprüft seit 1979 aus dem All gesammelte Werte – und kommt zu einem genau gegenteiligen Ergebnis. „Die korrigierten Temperaturdaten stützen die Theorie des Treibhauseffekts“, sagt Wentz. In einem Brief an das Wissenschaftsmagazin Nature hat er seine Analyse nun veröffentlicht.
Die US-Wettersatelliten hatten nicht direkt die Temperatur gemessen, sondern die Mikrowellen- Strahlung aus der Atmosphäre. Ein übliches Verfahren: Wenn man die Höhe des Satelliten kennt, läßt sich daraus die Temperatur in den verschiedenen Luftschichten ableiten. Dabei machten die ersten Auswerter laut Wentz aber einen entscheidenden Fehler: Sie übersahen, daß der Satellit nicht stabil in seiner Umlaufbahn bleibt, sondern Jahr für Jahr um mindestens 800 Meter absinkt, weil der Luftwiderstand ihn bremst. Das weiß jeder Physikstudent.
Die korrigierten Daten ergeben Wentz zufolge eine leichte Erhöhung der Temperatur in 3,5 Kilometer Höhe über der Erde: etwa 0,07 Grad pro Jahrzehnt. Dies vertrüge sich mit dem Ansteigen der Temperatur im gleichen Zeitraum auf der Erdoberfläche um etwa 0,13 Grad – denn es ist durchaus plausibel, daß die Temperatur in höheren Luftschichten weniger schnell ansteigt.
Für die Treibhaus-Skeptiker dürfte das eine bittere Niederlage sein. „Bisher waren die Satellitendaten der wichtigste Zufluchtsort für diejenigen, die die Tatsache des Treibhauseffekts bestreiten“, schreibt James Hansen, Leiter des Goddard-Instituts für Weltraumstudien der Nasa, in einem Kommentar zur Studie.
John Christy von der Universität Alabama, der die ursprüngliche Auswertung gemacht hatte, räumt seinen Fehler ein, ist aber der Ansicht, daß der keine großen Konsequenzen auf das Ergebnis habe. Wentz' Behauptung sei „eine Übertreibung“, sagte er der Washington Post.
Nun wird abgewartet werden müssen, bis weitere Wissenschaftler die Rechnungen überprüft haben. Doch schon länger hatten viele Klimaforscher die Satellitendaten in Zweifel gezogen, weil sie den gesicherten Bodenmessungen so deutlich widersprachen.
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