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Backen ohne Schein kostet 5.000 Mark

■ Wie schon seine Vorfahren backt ein junger Türke aus Walle Weißbrot. Doch jetzt droht ihm Bußgeld, denn ohne Meisterbrief verstößt der Mann gegen die Deutsche Handwerksordnung

Eyüem E. ist standhaft. Doch inzwischen droht sein fortgesetzter Boykott der deutschen Handwerksordnung teuer zu werden. 5.000 Mark Bußgeld drohen dem jungen Mann, wenn er weiter macht wie bisher – und wie Vater und Großvater zuvor. Denn wie sie backt Eyüem E. Brot. Leckeres Weißbrot. Vielleicht nicht in einer weiß gekachelten Backstube, dafür aber nach altem Familienrezept kommen die langen Stangen allabendlich in den Waller Ofen – unter Bedingungen allerdings, die die Handwerkskammer veranlaßten einzuschreiten.

Denn anders als die rund 30 türkischen Bäckereien Bremens hat Eyüem E. keinen deutschen Bäckermeister in der Hinterhand, der offiziell für seine Backerei geradesteht. Und wie sein Vater hat er sich um eine – mögliche – Sondergenehmigung nicht bemüht. Die Kontrolleure stört das Treiben in der Backstube E.'s schon seit über zwei Jahren. „Heute macht er das immer noch so“, empörte sich darüber jetzt der Vertreter der Handwerkskammer im Gerichtssaal. Nichts habe sich geändert, trotz Mahnung und verhängtem Bußgeld. Nur daß E. dagegen Einspruch eingelegt hat. Ob dieser noch verhandelt wird, bleibt vorerst offen. Doch E. ist zuversichtlich. Er will die Sache aufklären, in der sich schon sein Vater gegen die Handwerkskammer gestellt hatte, mit nichts als einer türkischen Zeitung in der Hand.

Der Artikel darin schien seinem Vater recht zu geben, war da doch zu lesen, daß ein türkischer Fladenbrotbäcker – ohne Meister – mit Erfolg gegen die Schließung seiner Firma vor Gericht gezogen war. Die Richter hatten befunden, daß es sich bei der Herstellung von türkischem Fladenbrot um sogenanntes „Minderhandwerk“ handele, das der Handwerksordnung nicht unterliege. Allerdings wurde dieser vorläufige Eilentscheid später vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz aufgehoben.

Ob E.'s Vater davon noch erfahren hat, ist ungewiß. Auch sein Sohn zuckt nur die Schulter – während seine Freunde beschwören: „So ein Weißbrot kann sonst niemand hier backen.“ Insbesondere Baguetterien und Restaurants zählen zu den Abnehmern, im Gegensatz zum Einzelhandel.

Interessenvertreter des Handwerks sowie Juristen sind charmanten Argumenten jedoch nicht zugänglich. Erstere machen sich um die ordnungsgemäße Betriebsführung Sorgen. Für letztere ist das Treiben meisterlosen Bäckerhandwerks nicht nur ein Verstoß gegen die Handwerksordnung; vielmehr fällt es unter das „Gesetz zur Bekämpfung von Schwarzarbeit“ gegen das bundesweit zugleich immer mehr Verstöße registriert werden. Vor allem im Baugewerbe sitzen viele Sünder – für die es sich immer wieder zu lohnen scheint, für ein relativ geringes Bußgeld den Verstoß in Kauf zu nehmen, anstatt hohe Personalkosten etwa für handwerklich hochqualifiziertes Personal aufzubringen. Nicht zuletzt deshalb sind die verhängten Bußgelder in den letzten Jahren in die Höhe geschnellt und erreichen schon den Standard von 50.000 Mark. Das ist die Hälfte der möglichen Maximalbuße. ede

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