: Unterm Strich
Nicht, daß wir etwa absichtslos auf Turing-Maschinen zu sprechen kommen auf unseren heutigen Seiten. Nein, nein, schließlich ist Berlin von heute an für zehn Tage das Zentrum der mathematischen Welt. Zum Internationalen Weltkongreß der Mathematiker werden an der Technischen Universität mehr als 3.500 Forscher aus rund 100 Ländern erwartet. Neben 180 Fachvorträgen und Seminaren soll auch ein populärwissenschaftliches Programm über neue Anwendungsmöglichkeiten der Mathematik informieren und die Leute für jene bezaubernde Wissenschaft erwärmen. Die Urania, eine alte Berliner Einrichtung der Volksbildung, zeigt die Ausstellung „Mathematik zum Anfassen“. Zu sehen sind meterhohe Seifenblasen, Geheimschriften und Kaleidoskope, in die man hineinkrabbeln kann.
Einige Vorträge in der Berliner Urania gehen der kulturellen Rolle der Mathematik nach. Am 24. August hält der Schriftsteller Hans-Magnus Enzensberger einen Vortrag unter dem Titel „Zugbrücke außer Betrieb, oder die Mathematik im Jenseits der Kultur“. Auch Gero von Randow, hochgeschätzter Kollege von der Zeit-Wissenschaft, spricht über ein brisantes Thema: „Geisterfahrer des Journalismus – Wie kommt die Mathematik in die Zeitung?“. Schließlich weiß der Komponist und Direktor des Instituts für Neue Musik der Hochschule der Künste Berlin, Orm Finnendahl, über die mathematischen Verfahren in seinen Kompositionen Auskunft zu geben. Fragt sich nur, wo die Techno-Abmischer bleiben, die dazu auch einiges zu sagen hätten. Von wegen Fourrier und so. Mathe-Prof Jacobus van Lint immerhin spricht schon mal über „The Mathematics of the CD-Player“. Im Rahmen des Filmfestivals „Videomath“ gibt es Filme über Geometrie und Navigation, die Faszination des Unendlichen und Fehlerkorrekturcodes, über die Geistesgeschichte der Mathematik und berühmte Vertreter des Faches.
Im Blickpunkt des Fachpublikums steht die Arbeit von Peter W. Shor. Shor entwickelte vor wenigen Jahren ein Verfahren zur Entschlüsselung von Daten mit Hilfe der physikalischen Quantentheorie. Dieses könne den Grundstein legen für eine neue Generation von Computern. Höhepunkt des Weltkongresses ist aber die Verleihung der Fields-Medaillen. Die Auszeichnung gilt als „Nobelpreis für Mathematik“. Die Fields-Medaillen werden alle vier Jahre vergeben und gehen jeweils an zwei bis vier herausragende Mathematiker, die nicht älter als 40 Jahre sind.
Der Internationale Weltkongreß der Mathematiker ist die größte mathematische Tagung weltweit. Alle vier Jahre trefffen sich die bedeutendsten Wissenschaftler, die einflußreichsten Verlage und Softwarehäuser sowie Industrievertreter. Deutschland hat den Weltkongreß das letzte Mal vor 94 Jahren in Heidelberg ausgerichtet.
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