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Oberstes Gericht der Slowakei pfeifft Mečiar zurück

■ Wahlboykott der Opposition vorerst abgewendet, doch die rechnet mit weiteren Schikanen

Bratislava/Berlin (taz) – Der slowakische Ministerpräsident Vladimir Mečiar ist mit seinem Versuch gescheitert, die Opposition von den Parlamentswahlen in sechs Wochen auszuschließen. Der Oberste Gerichtshof der Slowakei wies am Freitag einen Antrag von Mečiars regierender „Bewegung für eine demokratische Slowakei“ (HZDS) ab, der größten Oppositionsvereinigung „Slowakische Demokratische Koalition“ (SDK) die Teilnahme an den Wahlen zu verbieten. Anfang vergangener Woche hatte Mečiars Regierungspartei vor dem Obersten Gerichtshof mit der Begründung geklagt, die SDK verstoße durch ihre Struktur als Parteienkoalition gegen das slowakische Wahlgesetz. Der SDK gehören fünf Parteien an.

Mit der Mehrheit der Regierungskoalition hatte das Parlament Ende Mai das Wahlgesetz geändert. Die neuen Bestimmungen sehen unter anderem vor, daß zu einem Koalitionsverband gehörende Parteien künftig jeweils getrennt die Fünfprozenthürde überspringen müssen, um ins Parlament einziehen zu können. Außerdem dürfen die zu einer Koalition gehörenden Parteien keine gemeinsamen Kandidatenlisten mehr aufstellen. Das verringert die Chancen der kleinen Oppositionsparteien und macht ihren Zusammenschluß zu Koalitionen praktisch sinnlos.

Die von Mečiars Regierungspartei durchgesetzte Änderung des Wahlgesetzes zielte sowohl gegen die fünf Parteien der SDK, von denen nicht alle Aussichten haben, die Fünfprozenthürde zu überspringen, als auch gegen die drei Parteien der ungarischen Minderheit. Von denen kann nur eine mit mehr als fünf Prozent rechnen.

Als Reaktion auf die Änderung des Wahlgesetzes hatte sich die „Slowakische Demokratische Koalition“ Anfang Juli formal als Wahlpartei konstituiert. Bereits Ende Juni hatten sich auch die drei bisher im Parlament vertretenen ungarischen Parteien zur „Ungarischen Koalitionspartei“ (MKP) zusammengeschloßen. Das Wahlgesetz war sowohl von der slowakischen Opposition als auch im Ausland, unter anderem von der US- Regierung, der OSZE und der EU, scharf kritisiert worden.

Die Änderung des Wahlgesetzes, die Klage von Mečiars Regierungspartei vor dem Obersten Gerichtshof und andere neue Wahlbestimmungen wie etwa die, daß Wahlwerbung nur in den staatlichen, von der Regierung kontrollierten Medien betrieben werden darf, fanden auch vor dem Hintergrund einer schwindenden Unterstützung für die Mečiar-Regierung statt.

Laut einer Umfrage von Anfang August würden Mečiars HZDS sowie die beiden kleinen mitregierenden ultranationalistischen bzw. kommunistischen Parteien zusammen nur noch auf etwa 37 Prozent der Stimmen kommen. Demgegenüber kämen die SDK, die „Ungarische Koalitionspartei“ und andere Oppositionsparteien zusammen auf knapp 60 Prozent der Stimmen.

Politiker der Opposition gehen davon aus, daß die Mečiar-Regierung demnächst weitere Versuche unternehmen wird, die Opposition im Wahlkampf zu behindern. Die slowakischen Oppositionsparteien erwägen deshalb einen Boykott der Wahlen. Einen Wahlboykott, der für den Fall ausgerufen worden wäre, daß der Oberste Gerichtshof dem Antrag der Mečiar-Partei stattgegeben hätte, sagte die SDK am Wochenende ab. Keno Verseck

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