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Ausländer verlassen Kinshasa

■ Mit der Belagerung von Kinshasa verlagert sich der Bürgerkrieg im Kongo in den Westen. Die Haltung Angolas könnte das Schicksal der Regierung von Laurent Kabila entscheiden

Berlin (taz) – Kinshasa, die Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, lebt im Belagerungszustand, während westliche Ausländer zu Hunderten evakuiert werden. Gestern sollten über 400 Ausländer ausfliegen; am Samstag waren es 300. Die Evakuierungen werden von Frankreich und Belgien organisiert. Die US- Botschaft in Kinshasa ist am Wochenende geschlossen worden. In Brazzaville, Hauptstadt des Nachbarlandes Republik Kongo gegenüber von Kinshasa am Kongo- Fluß, sind mehrere hundert französische und 50 britische Soldaten eingetroffen, um die Evakuierungen zu organisieren.

Der Abzug der Ausländer bestärkt die Regierung Kabila in ihrem Verdacht, bei der Rebellion gegen sie handele es sich um ein internationales Komplott. Auf Demonstrationen in Kinshasa richtete sich der Unmut von Kabila- Unterstützern in den letzten Tagen nicht nur gegen „die Tutsi“, sondern auch gegen Frankreich und die USA. Offiziell gibt sich die Regierung über die Evakuierungen der Ausländer erstaunt. „Ich verstehe nicht, warum sie alle gleichzeitig gehen“, sagte Kabinettsdirektor Abdoulaye Yerodia im Staatsfernsehen. „Ich verstehe nicht, warum sie massenhaft in Länder gehen, wo eine Hitzewelle herrscht, und hier ist das Wetter schön, die Wärme ist sanft, die Bäume sind grün und die Vögel singen jeden Morgen.“

Beim Krieg Kabilas gegen Mobutu 1996/97 hatte es ein halbes Jahr gedauert, bevor an die Evakuierung von Ausländern aus Kinshasa gedacht wurde. Diesmal geht alles viel schneller, was mit einer Veränderung in der Art des Krieges zu tun hat. 1996/97 marschierte die von Laurent Kabila geführte AFDL (Allianz Demokratischer Kräfte zur Befreiung des Kongo) langsam von Ost nach West quer durch das Land – diesmal ist die Rebellion im Inneren des Regimes entstanden. Ein zentraler Ausgangspunkt war die Militärbasis von Kitona nahe der angolanischen Grenze. Von Kitona aus haben die meuternden Militärs immer weitere Teile der westkongolesischen Provinz Niederkongo erobert – unter anderem die Ölstädte Boma und Moanda, den Marinestützpunkt Banana und den Staudamm von Inga. Inzwischen wird um die Hafenstadt Matadi gekämpft.

Die Rebellen werden von Truppen aus Ruanda verstärkt, die über eine Luftbrücke nach Kitona eingeflogen worden sind. Ihre Strategie besteht offenbar darin, Kinshasa von seinen Außenhandelswegen abzuschneiden. Die Wiederherstellung der Infrastruktur in und um Matadi, um Im- und Exporte anzukurbeln, war in den letzten Monaten eine der Prioritäten der Regierung Laurent Kabilas gewesen.

Die Rebellen im Westen des Kongo könnten nicht so ungestört agieren, wenn der mächtige Nachbar Angola nicht mindestens sein stillschweigendes Einverständnis gegeben hätte. Angolas Regierung ist in dieser Region die mit Abstand stärkste Macht – sie half Kabila bei der Einnahme Kinshasas im Mai 1997 und dem Präsidenten von Kongo-Brazzaville, Denis Sassou-Nguesso, bei seiner gewaltsamen Machtergreifung im Oktober. Angolanische Regierungstruppen kämpfen im Norden des eigenen Landes gegen die Unita-Rebellen, sind in Kongo-Brazzaville stationiert und hätten problemlos auch nach Niederkongo einmarschieren können, um Kabila gegen die Rebellen zu helfen. Daß sie jetzt stillhalten, deutet darauf hin, daß Kabila von Angola jetzt wenig Unterstützung zu erhoffen hat. Wichtige kongolesische Politiker, die lange in Angola im Exil lebten und 1996 zu Kabila stießen, sind jetzt zu den neuen Rebellen gewechselt.

Angolas Präsident Eduardo dos Santos wird erst gegen Ende dieser Woche aus Lateinamerika zurückerwartet. Vorher wird kaum deutlich werden, welche Seite im Kongo Angolas Regierung stützen will. Das aber kann den Krieg entscheiden. Dominic Johnson

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