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Kommt BHV oder bleibt HB?

■ Heute entscheidet der Bremerhavener Magistrat über den Vorschlag, neue Autokennzeichen einzuführen / „Erdbeben“ in der bremischen SPD

BHV. Heute entscheidet der Bremerhavener Magistrat über den Vorschlag des Oberbürgermeisters Manfred Richter (FDP), der ein eigenes Verkehrskennzeichen „BHV“ für die Seestadt gefordert hatte. Pünktlich meldeten sich auch noch die Bremerhavener Jusos zu Wort: „Die neuste Aktion des kabarettspielenden Oberbürgermeisters verstärkt den Eindruck, als hätte Manfred Richter sein Hobby Kabarett und seinen Beruf, nämlich zum Wohle der Stadt zu arbeiten, nun vollends verwechselt“, attestierte humorlos der Sprecher der Bremerhavener Jusos und Stadtverordnete Martin Günther. Sommerlochaktionen wie die Forderung nach einem eigenen Autokennzeichen würden im Rest der Bundesrepublik den Eindruck erwecken, eine Stadt mit einer Rekordarbeitslosigkeit von über 20 Prozent habe keine anderen Probleme. „Bremerhavens Oberbürgermeister hat die Politik der Effekthascherei und kurzfristiger Medienerfolge in einem Maße perfektioniert, die der Zukunft dieser Stadt nicht gerade zuträglich ist“, urteilt der gestrenge Martin Günther.

Das Nummernschild mußte auch gleich für eine Generalabrechnung der Jusos mit der bisherigen Amtsführung Richters herhalten: aus der Politik halte er sich völlig raus, in der Werftenkrise sei er nicht sichtbar gewesen. Auch das Fernbleiben Richters bei den Senatsberatungen über den Verkauf der Bremerhavener Stadtwerke wird ihm angekreidet. Die Zukunftsfähigkeit Bremerhavens hänge mehr an neuen Ausbildungsplätzen als an einem neuen Autokennzeichen.

Auch im SPD Unterbezirk Mitte in Bremen hat der Richter-Vorschlag „heftige Debatten“ und ein „politisches Erdbeben“ ausgelöst. Einige Vorstandsmitglieder hätten in der Montags-Sitzung spekuliert, das neue Kennzeichen könne als Faustpfand für zukünftige Finanzverhandlungen mit dem Bremer Senat eingesetzt werden. Andere schlugen vor, auch für einzelne Stadtteile Bremens eigene Kennzeichen auszugeben, um die Bremer nicht schlechter zu stellen als die Bremerhavener. Auch ein Komplott der deutschen Kfz-Schilder-Industrie, einer seit Jahrzehnten aufstrebenden Branche, wurde vermutet. Vereinzelt wurde die Befürchtung geäußert, die Selbstständigkeit Bremens gerate durch den Vorschlag in Gefahr. Pragmatisch näherte sich Unterbezirks-Vorsitzender Wolfgang Grotheer der Angelegenheit, der sich die Anwesenden anschlossen: der Senat soll aufgefordert werden, ein Gutachten in Auftrag zu geben. Thema: Erhöht ein BHV-Schild die Verkehrssicherheit im Lande?

„Echte“ Bremer könnten allein der Geschichte wegen erbost sein über ein solches Ansinnen. Immerhin datiert die erste urkundliche Erwähnung Bremens aus dem Jahr 782. Da gab's Bremerhaven noch gar nicht. Und erst Anfang des 19. Jahrhunderts kaufte die Hansestadt Bremen dem Königreich Hannover für 73.000 Taler an der Geestemündung 381 Morgen Land ab, aus denen schließlich Bremerhaven wurde. Ohne Bremen gäbe es die „Tochterstadt“ also gar nicht. cd/dpa

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