Und am Baß Adolf Hitler

■ Die Vorschau: Das 15. Internationale Sommertheater mit Schwerpunkt Israel beginnt heute in der Staatsoper Hamburg

Die Welt wird kleiner und das „Internationale Sommertheater Festival Hamburg“ größer: Zu seinem 15. Geburtstag präsentiert sich das Festival sogar zum ersten Mal auf eigener Homepage im Internet und – schwupps – ist die Welt noch ein Stück kleiner geworden. Computerlose Menschen werden ebenfalls zeitgemäß informiert: In allen großen Städten Deutschlands sollen – auch dies zum ersten Mal – Plakate für den Aufmarsch der (Tanz)theater aus aller Welt werben. Nur in Bremen haben wir noch keine gesichtet. Und, um die glückliche Zahl Drei der Neuheiten komplett zu machen: Auch in Hamburg himself wird das Festival über sich hinauswachsen.

Nicht alle 19 Veranstaltungen werden auf der Baustelle des Kampnagelgeländes in der Jarrestraße stattfinden. Auch die Kammerspiele und sogar die Staatsoper werden bespielt. „Das ist ein klares kulturpolisches Statement, wie wir das Festival sehen“, unterstreicht Kodirektorin Gabriele Naumann: „Wir wollten nie Kokoon sein.“

Der Schwerpunkt heißt dieses Jahr: Geburtstagskind Israel. „Wir zeigen Statements (Hamburgs Kulturmanager haben offenbar eine gewisse Vorliebe für dies tatkräftige Wort) über die Situation in Israel heute von Künstlern, die wir schätzen“, erklärt Festivalleiter Dieter Jaenicke. Palästinensische Künstler aber wurden nicht geladen. Denn „der palästinensische Kulturminister fand die Idee schon im Ansatz eine Beleidigung. Es gäbe sicher auch palästinensische Gruppen, die gekommen wären. Letzt-endlich müssen wir hier aber nicht eine Normalisierung spielen, die es nicht gibt ... Wir können hier nicht ein bißchen Frieden spielen.“ Als ob Theater die Realität widerspiegeln müsse und nicht auch gelegentlich schaffen könne.

Nur die Gruppe „Acco“ arbeitet mit gemischter Besetzung. Alle anderen israelischen Gruppen haben überdies „ein sehr loyales, völlig ungebrochenes Verhältnis zum Staat Israel“, meint Jaenicke. Das gelte jedenfalls für alle Künstler, die er kenne. Und das obwohl „die finanzielle Unterstützung durch den Staat bescheiden ist. Ohad Naharin etwa, Chef des staatlichen Tanztheaters, erhält weniger als manche Freie Gruppe in Deutschland.“ Trotzdem sind sie bisweilen ästhetisch innovativer als das eine oder andere politischere palästinensische Theater – und werden deshalb von Jaenicke bevorzugt.

Heute wird das Festival in der Oper eröffnet von Naharins „Bat-sheva Dance Company“ (21 Uhr). Ihr „Sabotage Baby“ will den „häufig depressiven Blick auf die allgegenwärtigen Probleme Israels durch eine opulente Vision von Schönheit“ ersetzen. Diese Vision erschien den orthodoxen Juden allerdings ein wenig zu leicht bekleidet. Kurzerhand haben sie für die Aufführung bei den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Staatsgründung vor knapp vier Monaten eine andere Garderobe verlangt. „Bat-sheva“ sagte aus Protest den Auftritt ab, wobei sich an jenem Abend niemand mit dem Ensemble solidarisierte. „Das zeigt auch, wie wenig der Kibbuzgedanke in der Realität greift“, meint dazu Jaenicke. „Jeder versucht, sein Ding zu machen.“

Zum großen Teil kommen israelische Gruppen, deren Arbeiten das Sommertheater-Festival seit Jahren begleiten: die Zik Group (25.-28.8., 21.30 Uhr, Kampnagel), das grandiose Acco Theatre (25.-27.8., 30.8., 1.-3.9., je 20 Uhr, 29.8., 22.30 Uhr, Kammerspiele), Choreographen des Suzanne Dellal Centre Tel Aviv (21./22.8., 20.30 Uhr, 23.8., 19.30 Uhr, Kampnagel).

Aber auch unter den nicht-israelischen Gästen sind liebe Bekannte: die Belgier Vandekeybus/Vez (4./5.9., 20 Uhr, Kampnagel) und Alain Platel (20.-22.8., 20 Uhr, Kampnagel) oder die portugiesische Choreographin Clara Andermatt (25./26.8., 20 Uhr, Kampnagel). Das „DV8 physikal theatre“ aus Großbritannien (28./29.8., 20 Uhr, Kampnagel) wird seinen Macho-Abgesang „Enter Achilles“ vorstellen.

Aus Deutschland mit dabei: Heiner Goebbels mit dem Hörstück „Die Wiederholung“ (4.-6.9., 20 Uhr, Kammerspiele), Nicolas Stemann und Bernd Stegemann mit „Zombie 45. Am Baß Adolf Hitler“ (24.-26.8., 21.30 Uhr, Kammerspiele) und last (but für manche auch least) Esther Ofarim (30./31.8., 20.30 Uhr, Kammerspiele).

Christiane Kühl

Info: http://www.sommerthea-ter.org ; Karten: 040/270 949 49