: Klinikschließungen erwartet
■ Einen Tag vor der Präsentation des Krankenhausgutachtens unterzeichnen Senat und Gewerkschaften eine Vereinbarung, die betriebsbedingte Kündigungen zunächst ausschließt
Einen Tag vor der Präsentation des Klinik-Spargutachtens, das Grundlage für tiefgreifende Einschnitte in der Berliner Krankenhauslandschaft sein soll, hat die Gesundheitsverwaltung gestern eine Vereinbarung mit den Gewerkschaften unterzeichnet, die betriebsbedingte Kündigungen in den städtischen Krankenhäusern ausschließt.
Die Vereinbarung, die nach zähen Verhandlungen bereits im Januar beschlossen wurde, hat nach Angaben von ÖTV-Sprecher Ernst-Otto Kock jedoch drei Nachteile. Sie laufe nur bis zum Ende des Jahres, sie sei mit den Verwaltungsleitern der Krankenhäuser, die den Kündigungsschutz umsetzen müssen, noch nicht abgesprochen, und sie schütze die Beschäftigten nicht ausreichend vor einer Verschlechterung, wenn der Träger der Klinik wechselt. Über die Privatisierung der elf städtischen Kliniken mit ihren rund 25.000 Beschäftigten wird seit langem diskutiert.
Kock vermutet, daß der kurzfristig anberaumte Unterzeichnungstermin mit der heutigen Präsentation des Klinikgutachtens in Zusammenhang steht. Denn die rund 60.000 MitarbeiterInnen der insgesamt 70 Berliner Krankenhäuser erwarten mit Nervösität das Gutachten des Kieler Instituts für Gesundheits-System-Forschung (IGSF). Fachpolitiker gehen davon aus, daß die Kieler ExpertInnen nicht nur die Schließung zahlreicher Fachabteilungen, sondern ganzer Krankenhäuser empfehlen werden. Bernd Köppl, gesundheitspolischer Sprecher der Bündnisgrünen, schätzt, daß die Gutachter den Abbau von bis zu 4.000 der insgesamt 27.000 Betten und damit den Verlust von bis zu 8.000 Arbeitsplätzen nahelegen werden. Auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Hans-Peter Seitz, geht von „schmerzhaften Einschnitten“ aus. „Aber klare Strukturentscheidungen sind lange überfällig.“
Die Krankenkassen hatten das Gutachten – mit zaghafter Unterstützung des Senats – in Auftrag gegeben, weil die hiesigen Krankenhäuser die Kassen überdurchschnittlich stark finanziell belasten. Die Krankenhauskosten in Berlin übersteigen Vergleichswerte aus Westdeutschland jährlich um eine Milliarde Mark. Die Kassen hoffen auf jährliche Einsparungen von 500 Millionen Mark.
Senat und Kassen haben vereinbart, daß das Gutachten Grundlage für die künftige Krankenhausplanung sein soll. Bis April 1999 soll ein neuer Krankenhausplan erstellt werden. Der zuständige Staatssekretär, Detlef Orwat (CDU), hatte dem Gutachten erst nach massivem Druck der Krankenkassen zugestimmt, weil er Einschränkungen in der Planungshoheit des Landes befürchtet. Köppl und Seitz dagegen sind froh, daß die Krankenhausplanung „endlich“ auf eine wissenschaftliche Grundlage gestellt wird. Köppl: „Damit hat hoffentlich die Orwatsche Willkürpolitik ein Ende.“ Sabine am Orde
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