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Die Passanten studieren die Listen der Toten

■ Fast zwei Wochen nach dem blutigen Anschlag auf die US-Botschaft in Kenias Hauptstadt Nairobi warten Überlebende und Hinterbliebene immer noch auf adäquate Unterstützung

Nairobi (taz) – Wenn Douglas S. noch einmal die Augenblicke vor der Explosion Revue passieren läßt, richtet er den Kopf schräg nach oben und scheint nach einem Bild zu suchen. Doch sein Blick geht ins Leere. Wie 50 andere Opfer des Anschlages auf die US-Botschaft in Nairobi am 7. August hat auch er durch umherfliegende Glassplitter sein Augenlicht verloren und hofft nun auf ein Team von deutschen Augenspezialisten, das heute in Nairobi ankommen soll.

Von seinem Bett im Kenyatta National Hospital berichtet Douglas S. mit gebrochener Stimme, wie er am 7. August im Stau von seinem Auto aus einen Kleinlastwagen auf den Parkplatz der US- Vertretung einscheren sah und wie nach einem Streit mit den Wachen ein Mann in blauer Uniform ausstieg und auf das Botschaftsgebäude schoß. Douglas' Arme und Gesicht sind von häßlichen Narben entstellt. „Nach dem Anschlag mußten wir vor allem die Blutungen stillen“, sagt der Chef des Kenyatta-Krankenhauses, Dr. Augustine Miuta, „und es ist klar, daß in der Eile die Stiche nicht besonders sauber geführt wurden.“ Nach seinen Angaben werden rund 3.000 Opfer der Explosion plastische Chirurgie brauchen.

Fast zwei Wochen nach den Bombenanschlag auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania, die insgesamt 257 Tote forderten, sind die Folgen in Kenias Hauptstadt Nairobi noch allgegenwärtig. Im Uhuru-Park, der zentralen Grünfläche der Stadt, hat das kenianische Rote Kreuz eine Anlaufstelle für Hinterbliebene eingerichtet, die dort einen Zuschuß für die Beerdingungskosten bekommen können. Passanten studieren die Listen der Toten, ob ein Bekannter dabei ist, dem man Anteil zeigen müßte oder zu dessen Beerdigung man einen Beitrag leisten müßte.

Jeden Tag veröffentlichen die kenianischen Medien neue, zum Teil widersprüchliche Details über die Hintergründe der Tat. „Kenia hat bisher überhaupt keine Erfahrung mit Terrorismus“, sagt der Berichterstatter der größten kenianischen Tageszeitung Daily Nation. „Alle Informationen beziehen sich im Grunde auf Verdacht oder Hörensagen.“ Daß die ägyptische Terror-Gruppe „Dschihad Islami“ zum Beispiel bei den Vorbereitungen des Anschlages in Kenia geholfen haben soll, beziehe sich auf den Bericht einer israelischen Tageszeitung.

Die Menschen in Nairobi sind skeptisch, was den bisherigen Verdacht gegen islamistische Terroristen angeht, oder sie halten die Frage nach dem Hintergrund nicht für entscheidend. „Nur Gott weiß, wer diesen Anschlag geplant hat“, sagt zum Beispiel Veronica Wambui, die mit Arbeitskolleginnen zur Leichenhalle gekommen ist, um einer ihrer Freundinnen die letzte Ehre zu erweisen. Man müsse erst einmal das Ende der Ermittlungen abwarten, glaubt John Wainaima, bevor man voreilige Schlüsse ziehe. Daß das Verhältnis von Moslems und Christen in Kenia dadurch belastet werde, hält er für ausgeschlossen. „Wir hatten immer ein sehr gutes Verhältnis.“ Kenia und der arabische Raum unterhalten seit Jahrhunderten Handelsbeziehungen über den Indischen Ozean, und der arabische Einfluß ist vor allem an der Küste deutlich zu spüren.

Ärger hat jedoch bei vielen das Verhalten der US-Verantwortlichen nach dem Anschlag ausgelöst. US-Marines hatten nach der Explosion die Botschaft abgeriegelt und Kenianer, die bei den Bergungen helfen wollten, nicht durchgelassen. Die US-Botschafterin Prudence Bushnell goß noch Öl ins Feuer, als sie vergangene Woche diese Praxis mit dem Argument verteidigte, man habe die Botschaft vor Plünderern schützen müssen. Die seriöse Wochenzeitung East African berichtete diese Woche, daß die zehn getöteten US-Botschaftsangestellten in ein privates Beerdigungsinstitut gebracht würden, während die toten Kenianer in einem Warenlager untergebracht wurden. Peter Böhm

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