: Sir Foster hilft nicht beim Aufbau des Sozialismus
■ Der Intellektuellenkongreß zur Unterstützung der SPD bereitet dem Kanzleramt Angst: Sozialismus über Europa? Rätselraten über Absage des Reichstagsarchitekten Norman Foster
Berlin (taz) – Das Kanzleramt fürchtet, daß Gerhard Schröder (SPD) mit Hilfe von Intellektuellen den Sozialismus über Europa bringen könnte. Über ein „rot-grünes Deutschland“ erboste sich gestern der Staatsminister der Bonner Regierungszentrale, Anton Pfeifer (CDU), solle eine sozialistische Mehrheit in Europa propagiert werden. Anlaß für die Pfeifer- Klage ist der heute stattfindende Kongreß „EuroVisionen“, den der SPD-nahe Künstler Klaus Staeck ausrichtet.
Die Liste der EuroVisions-Teilnehmer im Berliner Willy-Brandt- Haus ist ebenso lang wie prominent. Unter den 150 Intellektuellen, Künstlern und Politikern befinden sich so bekannte Filmregisseure wie Théo Angelopoulos und Costa Gavras, die Künstler Jochen Gerz und Daniel Buren sowie der Schauspieler Ben Kingsley. Ziel der von Klaus Staeck, Hans Misselwitz und Oskar Negt ins Leben gerufenen Initiative sei es, ein Manifest zu verabschieden, das im Wahlkampf „eine politische Perspektive für ein kulturelles und soziales Europa formuliert“.
Auf das Erscheinen des Londoner Stararchitekten Sir Norman Foster wird Staeck allerdings verzichten müssen. Dabei habe der Architekt des neuen Reichstages „nicht gezögert, die Einladung zu akzeptieren“, monierte Staeck. Die Modalitäten waren längst geklärt, die Suite im noblen Hotel Adlon reserviert und im voraus bezahlt, da erreichte den ehemaligen französischen Kulturminister Jack Lang am 13. August ein Brief Fosters. Darin erklärte der Architekt, „die entstehende politische Dimension“ mache eine Teilnahme an dem Symposium „so kurz vor der Bundestagswahl“ unmöglich.
Für Veranstalter Klaus Staeck kam der Rückzieher „völlig aus heiterem Himmel“. Sogar ein Redebeitrag sei bereits vereinbart gewesen. Staeck vermutet, die Absage ließe sich nur dadurch erklären, daß die Bundesregierung Druck auf Foster ausgeübt habe. „Wir haben fest mit Sir Normans Anwesenheit gerechnet.“ Fosters Berliner Büroleiter Braun freilich dementiert eine Einflußnahme des Bundeskanzleramtes. Der plötzliche Sinneswandel sei eigener Erkenntnis entsprungen: „Der Architekt des Deutschen Bundestages muß politisch neutral sein.“ Ulrich Clewing
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