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Saint Bill und das Beichtsakrament

■ Verzeihliche Sünden, Todsünden und der Zustand der „Gnade“

Dublin (taz) – Clinton kennt seinen Oscar Wilde. „Wenn wir uns tadeln, so fühlen wir, hat niemand sonst ein Recht dazu“, schrieb der irische Schriftsteller 1890. „Die Beichte, nicht der Priester absolviert.“ Wenn er Katholik und nicht Baptist wäre, hätte der US- Präsident es einfach: Nach der Beichte haben Katholiken wieder eine reine Weste, es ist so, als ob es die Verfehlung gar nicht gegeben hätte. Deshalb gelten sie als lebensfroher und weniger verbissen als Protestanten. Denen nützt eine öffentliches Geständnis wenig, wie das Beispiel vieler anglikanischer Politiker in Großbritannien gezeigt hat: Nach der Beichte mußten sie dennoch ihren Hut nehmen. Andererseits kann Clinton froh sein, daß er kein Moslem ist. Dann wäre er nach seiner Rede gesteinigt worden.

Die Katholiken nennen es seit ein paar Jahren nicht mehr Beichte, sondern „Sakrament der Versöhnung“, und das kann auch außerhalb des Beichtstuhl stattfinden, um den Kindern die Angst zu nehmen. Die neue Regel hat aber Nachteile: Im Beichtstuhl waren die Kinder wenigstens vor pädophilen Pfaffen geschützt, weil eine Wand zwischen ihnen war.

Doch zurück zum US-Präsidenten und seinen Sünden. Es gibt verzeihliche Sünden, wie zum Beispiel eine einfache Lüge, und es gibt Todsünden, wenn Vorsatz und Wissen um die Schwere der Verfehlung vorliegen. Clinton ist ein leichter Fall. Ist oraler Sex überhaupt Ehebruch? Die Bibel hält sich bei der Beantwortung dieser Frage merkwürdig bedeckt. Vielleicht sieht Clinton sein Treiben mit Monica Lewinsky ja ähnlich wie die Sache mit dem Joint, den er fast geraucht hat: Er hat daran gesogen, aber nicht inhaliert. Reverend Jesse Jackson, der mit dem Präsidenten vor der Vernehmung betete, verglich Clinton gar mit einer biblischen Figur. Samson sei schließlich auch von Delilah in Versuchung geführt worden, doch Gott gab ihm eine zweite Chance. Die „gegenwärtige Gnade“, die den potentiellen Sünder davor bewahrt, der Versuchung nachzugeben, wurde Clinton zwar ebensowenig zuteil wie Samson, doch nach seiner Beichte ist er laut katholischer Lehre wenigstens im Zustand der „heiligen Gnade“. Dennoch sollte Hillary Clinton die Tatsache zu denken geben, daß ihr Mann Oscar Wild so gut zu kennen scheint. Der hat 1890 nämlich auch geschrieben: „Der Reiz der Ehe liegt eben darin, daß sie ein Leben der Täuschung für beide Teile unumgänglich macht.“ Ralf Sotscheck, Dublin

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