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"So halt' ich mich bei Laune"

■ In den 80er Jahren galt Albert Oehlens analytische Malerei als ein Gegenmodell zum dekorativen Punk der "neuen Wilden". Heute nutzt er vor allem Computer. Ein Gespräch über Disziplin am Arbeitsplatz und ander

Albert Oehlen ist konsequent. Obwohl der 44jährige Wahlkölner zum ersten Mal im Berliner Kunstvereinsbetrieb ausstellt, hat seine Reihung von computergrafischen Bildern nichts mit einer betulichen Retrospektive gemein. Statt dessen kommen die am Rechner collagierten und später großformatig ausgedruckten Bilder als aggressive Auseinandersetzung mit Medien, Trash, Zitatepop und politischer Kunst daher. Das wirkt im weißen Kasten der INIT-Kunsthalle zugleich strikt antimalerisch und doch seltsam leichthändig arrangiert.

taz: Was zieht einen Künstler im Moment nach Berlin?

Albert Oehlen: Die Einladung zu der Ausstellung in erster Linie. Ich bin gerne hier. Es gibt ein großes Interesse an Kunst in Berlin, das hab ich mir erzählen lassen. Ich habe vor Jahren mal hier gewohnt. Das war sicher anderes als jetzt. Ich bin sehr froh über diese Ausstellung, weil ich all die Bilder, die ich in dieser Technik gemacht habe, zusammen zeigen kann. Das ist das, was mich in den letzten zwei Jahren beschäftigt hat.

Sie bedienen sich in Ihren aktuellen Arbeiten bei den Möglichkeiten der Computergrafik als Sprache des virtuellen Zeitalters?

Das ist richtig. Aber es ist nur Grafik. Die Möglichkeiten von Computergrafik habe ich bestimmt nicht ausgeschöpft. Ich habe nicht an vorderster Front etwas technisch Neues gemacht, das habe ich ganz bestimmt nicht. Trotzdem bringt mich die Arbeit am Computer zu etwas, zu dem ich sonst nicht kommen würde. Dadurch, daß all die Tätigkeiten nicht so aus dem Materialgefühl, nicht aus einer Routine heraus entstehen können – zunächst einmal, weil man ja alles benennen muß. Man kann dem Computer praktisch sagen, was man will. Das ist der Unterschied zu Schere und Klebstoff bei der Collage, wo man da etwas liegen hat. Zum Beispiel die Größenverhältnisse der Elemente, die man benutzt, sind festgelegt. Beim Computer nicht. Da kann man alles definieren; da kann man alles umändern. Und in diesem Sinne arbeitet man auch viel begrifflicher, weil man sich im klaren ist, daß man etwas tut, weil man es so will. Man benennt die Transparenz und die Deckkraft der Ebenen, die Pinselstärken; runde und eckige Kanten muß man eingeben. Das ist nicht so eine Entscheidung, die man mit der Schere einfach so macht, ohne sich der Entscheidung voll bewußt zu sein. Dieser Unterschied, daß man sich da über die Arbeitsweise bewußt wird, der hat mich sehr interessiert, auch bei den Gemälden, wo ich mit dem Computer die ersten Arbeitsschritte gemacht habe.

Sehen Sie in Ihren aktuellen Arbeiten Gemälde?

In diesen hier nicht. Nein.

Hm. Eher Grafik?

Das ist Grafik! Ich habe vor einiger Zeit einmal die Parole ausgegeben: Ich bin kein Maler mehr; ich bin jetzt Grafikdesigner. Und habe das dann auch für einen Monat geglaubt.

Klingt gut!

Ja – weil das auch gut klingt. Deswegen habe ich das auch gesagt. Und ... ähm, ja ... so halt ich mich bei Laune.

Mit Design?

Jetzt mit Design. Genau!

Siegesfahnen der virtuellen Realität kann man in Ihren Großformaten nicht sehen?

Nein. Ich glaube, das spielt sich woanders ab.

Das digitale Verändern von Fotos ist ja ein Medium, bei dem sich bisher am erfolgreichsten die Werbung bediente, um ein Produkt zu verkaufen. Vor allem arbeiten doch Grafikdesigner in dem Bereich, oder?

Kommerz muß nicht die einzige Assoziation sein, die man da hat.

Was bieten die Rechner dem Künstler denn noch für Möglichkeiten?

Alles, was man im Atelier automatisch macht, kann man am Rechner nicht mehr automatisch machen, weil man natürlich sofort den Unterschied sieht zu dem, was man im Atelier hergestellt hätte. So fragt man sich: Was ist der Unterschied? Der Unterschied ist – was weiß ich: zu dick, zu dünn, zu dumm, ahhh ... was auch immer. Und dann ist man tatsächlich ganz in der Nähe dieses Phänomens der virtuellen Realität, weil man etwas nachbilden will. Bei diesem Nachbilden erfährt man aber so ungeheuerlich viel über das, was vorgeht. Ich glaube, daß dies der wesentliche Aspekt an der virtuellen Realität sein wird. Es wird nicht darum gehen, daß man „echt“ und „unecht“ nicht unterscheiden kann; sondern darum, daß man bei der Herstellung so unendlich viel erfahren hat über die Realität. Das Faszinierende an diesem Fortschritt ist, was man über Realität erfährt.

Also auch beim Fälschen von Realität?

Auch beim Fälschen von Realität; sicher! Wie selbst der Bilderfälscher eine Menge wissen wird über Mathematik.

Besteht nicht die Gefahr in einen Zugzwang zu geraten; einen Zugzwang der scheinbar universellen Möglichkeiten?

„Zwang“ würde ich weglassen. „Zug“ klingt da schon besser. Abgesehen davon würde ich eher einen „Sog der Möglichkeiten“ erkennen. Es stimmt, es gibt bei jedem neuen Zyklus der Bilder, die ich mache, immer eine kleine technische Sache, die ich dazugelernt habe. Diese steht meist im Vordergrund. So bewege ich mich langsam vorwärts. Das Ganze ist aber nur ein Fortschritt innerhalb meines künstlerischen Rahmens, nicht im Vergleich zu den Leuten, die ausschöpfen können, was machbar ist. Und es gibt noch einen Unterschied: Wenn ich ein Bild mache, dann bin ich gleichzeitig Künstler, Propagandist, Experimentierer; da kommt alles zusammen. Ich will aus diesem Kosmos von komischen Motiven, Sachen, die ich gefunden habe – der ja mit meiner künstlerischen Arbeit verbunden ist oder da drin ist –, und den Begriffen und den Slogans... – wie auch immer ich das zusammenbakke: Das ist ein kreativer Vorgang. Und der ist mehr als das Ausführen einer Idee, das alles entsteht ja gleichzeitig. Das unterscheidet sich grundsätzlich davon, was etwa der Werbegrafiker für Aufgaben bekommt, wo es vielleicht heißt: Wir brauchen eine schöne Frau in einem Badeanzug im ordentlich ausgeleuchteten Raum, und irgendwelche Flecken müssen weg. Dann gehen diese Leute mit unheimlichen Mitteln und Möglichkeiten hin und bessern das aus. Ich mutmaße, das läuft dort alles professioneller. In meinen Arbeiten ist doch alles viel gröber. Ich möchte es nicht Dilettantismus nennen, weil es der nur wäre, wenn ich andere Ziele hätte. Ein „Nichtkünstler“ könnte sich eine solche Grobheit bestimmt nicht erlauben. Interview: Norman Lindner

Albert Oehlen, Computerbilder, bis 18.9., INIT-Kunsthalle, Chausseestraße 119–120

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