: Sieben Krankenhäuser auf dem Sterbebett
■ Spargutachten empfiehlt neben Schließungen die Privatisierung der städtischen Kliniken und den Abbau von 3.500 Betten. Das würde den Verlust von 7.000 Arbeitsplätzen bedeuten. Heftige Kritik von Ärz
In einem mit Spannung erwarteten Gutachten hat das Kieler Institut für Gesundheits-System-Forschung (IGSF) gestern die Schließung von sieben der insgesamt siebzig Berliner Krankenhäuser empfohlen. Zudem sollen 16 Nebenstandorte verschiedener Kliniken aufgegeben werden. Das Institut schlägt außerdem vor, das Universitätskrankenhaus Benjamin Franklin in ein normales Krankenhaus umzuwandeln. Berlin hätte dann mit der Charité, zu der inzwischen das Virchow-Krankenhaus gehört, nur noch ein Universitätsklinikum. Ferner raten die Gutachter, die verbleibenden städtischen Krankenhäuser zu privatisieren.
Insgesamt sollen nach den Ratschlägen aus Kiel rund 3.500 der insgesamt 27.600 Betten in Berlin abgebaut werden, fast alle von ihnen in den städtischen Kliniken im Westteil der Stadt. Hier ist die Bettendichte noch höher als in den Ostbezirken. Der Abbau würde den Verlust von etwa 7.000 Arbeitsplätzen nach sich ziehen. Bei der Umsetzung aller Maßnahmen, die umgehende Streichung der 7.000 Stellen inbegriffen, könnte das Gesamtbudget aller Krankenhäuser der Stadt um über 1,2 Milliarden gesenkt werden. 1997 betrug es rund 5,6 Milliarden Mark.
Aufgeben werden sollen nach Ansicht der Gutachter: das Krankenhaus Moabit (bislang 695 Betten), das Krankenhaus am Urban (826), das Wenckebach-Krankenhaus (530), das anthroposophische Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe (318), die Grunewaldklinik (100), das St.-Antonius-Krankenhaus (106) und das DRK-Krankenhaus Phönix (60). Die größte zu schließende Außenstelle ist der Standort Mariendorfer Weg des Krankenhauses Neukölln mit etwa 500 Betten. Das Klinikum Buch soll von 1.444 auf 855 Betten verkleinert werden.
Ziel der von der IGSF empfohlenen Umstrukturierung, so Institutsdirektor Johannes Hallauer, sei die Stärkung kleiner und mittlerer Krankenhäuser, weil diese billiger seien. Fachabteilungen wie Augenheilkunde oder Geburtshilfe, von denen es in Berlin überdurchschnittlich viele mit zu geringer Bettenzahl gebe, sollen zusammengelegt und so effizienter gestaltet werden. Besonders in den Abteilungen Innere, Psychiatrie und Chirurgie, in denen es in Berlin überproportional viele Betten gebe, solle abgebaut werden. Und schließlich wollen Hallauer und seine KollegInnen die Bettenzahl mit Maximalversorgung verringern. Mit all diesen Maßnahmen sollen die Kosten gesenkt werden, mit denen ein Krankenhausaufenthalt durchschnittlich zu Buche schlägt. Diese Fallpauschale lag in Berlin 1996 mit 9.353 Mark weit über dem deutschen Durchschnitt. Bis zum Jahr 2000 soll sie auf 7.990 Mark gesenkt werden.
Die Gesundheitsverwaltung kündigte gestern eine eingehende Prüfung des 650 Seiten dicken Gutachtens an. Spätestens bis April 1999 will sie auf dessen Grundlage einen neuen Krankenhausplan vorlegen. Eine inhaltliche Stellungnahme gab sie gestern nicht ab. Auch die AOK, einer der Auftraggeber des Gutachtens, wollte sich gestern noch nicht äußern. Dies gilt auch für die SPD. Die Berliner Ärztekammer, PDS und Grüne übten Kritik und sprachen sich erneut gegen die Privatisierung der städtischen Krankenhäuser aus. Der gesundheitspolitische Sprecher der Bündnisgrünen, Bernd Köppl, begrüßte zwar, daß es endlich eine gute Datengrundlage für die Krankenhausplanung gebe. Der Kahlschlag bei den Krankenhaus-Standorten aber sei „eine platte Umsetzung der Forderung der Krankenkassen“ und nicht akzeptabel. Das Urban- Krankenhaus sei von der türkischen Bevölkerung gut angenommen worden, auch die Schließung des anthroposophischen Krankenhauses Havelhöhe sei „absurd“. Zudem kritisierte Köppl wie auch die PDS-Abgeordnete Dagmar Pohle, daß sich das Gutachten nicht mit den betroffenen Beschäftigten auseinandersetze. Auch der parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Volker Liepelt, sprach sich gegen einen „Krankenhaus- Kahlschlag“ aus. Sabine am Orde
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