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Das Tschtschtsch des Waschbretts

■ Countdown der Heimatklänge: Rockin' Dopsie Jr. & Zydeco Twisters aus Louisiana rufen auf zum Tanzen und Schreien im 4/4-Takt

Diesmal war eine Bohrmaschine nötig. Nicht, weil am Sonntag nach sechs Wochen Schluß ist mit Heimatklängen. Noch kein Bühnenabbau und noch kein Naherücken des Bundeskanzleramtes, das demnächst die Herberge des Tempodroms verscheuchen wird. Schuld am Einsatz des Werkzeugkoffers: Rockin' Dopsie Jr. & The Zydeco Twisters. Sie schafften es, daß während des Konzerts Mikroständer am Boden festgebohrt werden mußten.

David Rubin alias „Rockin' Dopsie Jr.“ hat das Zydeco-Erbe und die Band seines 1993 gestorbenen Daddys übernommen. Er steht auf der Bühne im weißen Mardi-gras-Schürzchen, mit weißem Cowboyhut, Sonnenbrille und Breitmaulgrinsen. „Let me hear you scream!“ keucht er mit tiefer, rauchiger Kratzstimme und mutiert zu einem Kraftwerk: Den Jazzdance-Anfängerkurs der VHS hat er längst hinter sich gelassen, er springt in den Spagat, wirft sich auf den Boden und reagiert sich ab an seinem umgeschnallten Waschbrett. David Rubin liebt sein Waschbrett: Er schrubbt es nicht nur mit den Aluminiumstäbchen, auf daß sich der Stahl ein wenig dunkler färbe, er dreht und wirbelt es und spielt damit hinter seinem Rücken, nicht ohne regelmäßig sein „Everybody scream!“ auszustoßen.

Rockin' Dopsie ist ein elektrifizierter Showmaster und Sänger, seine acht Compagnons sehen daneben eher statisch aus. Macht nichts: Sie kümmern sich um den wunderbar saftig-dreckigen Sound. Zydeco ist nicht nur ein schönes Wort, sondern entstand in der Mitte des Jahrhunderts im Südwesten Louisianas. Als kreolischer Ableger des Cajun werden New Orleans R&B, Soul, Blues, Funk, Rock'n'Roll zu einer sumpfigen Melange gemischt. Das Akkordeon darf nicht fehlen, und David Rubins Bruder Anthony hat kräftig zu quetschen, denn Zydeco bedeutet Geschwindigkeit: ein gegenseitiges Treiben der Instrumente mit einer starken Betonung der Bässe, die kräftig in die tanzende Tempodrommasse hineinwummern. Dazu noch das Tschtschtsch des Waschbretts im Hintergrund, als wäre nebenan eine Kieswaschanlage im Einsatz.

Moderne Elemente des Pop und Anleihen vom Reggae bis HipHop haben mancherorts Zydeco die Beschreibung „Party Musik“ verliehen. Tatsächlich holt sich selbst das Fernsehen und die Werbung gerne den Stimmungsmacher Zydeco herbei: Rockin' Dopsie Jr. & The Zydeco Twisters gaben sich schon für Zahnpasta und Lottoscheine her. Kein Wunder: Sie fordern Spaß, kriegen die Leute zum Tanzen, Paare schieben sich durch den zappelnden Zuschauerrest. Schweißperlen pflasterten ihren Weg. Michael Neubauer

Noch bis zum 23.8., 21 Uhr 30, im Tempodrom, In den Zelten

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