: Saberschinsky lobt sich über den grünen Klee
■ Bei der Zwischenbilanz des "Berliner Modells" präsentierte sich der Polizeipräsident als Sieger. Selbst Gesamtpersonalrat voll des Lobes. Aufklärungsquote in Kreuzberg und Neukölln gestiegen. K
Friede, Freude, Eierkuchen. Das war die Stimmung, die Polizeipräsident Hagen Saberschinsky gestern bei seiner Zwischenbilanz des sogenannten „Berliner Modells“ verbreitete. Das Berliner Modell, bei dem die Schutzpolizei verstärkt in die Aufgaben der Kripo eingebunden ist, wird seit sechs Monaten in der Direktion 5 (Kreuzberg und Neukölln) erprobt.
Nachdem Saberschinsky in der Anfangsphase wegen diverser Pannen heftige Prügel von SPD, Grünen, PDS sowie vom Gesamtpersonalrat und den Polizeigewerkschaften hatte einstecken müssen, präsentierte er sich gestern als strahlender Sieger. Vom Vertreter des Gesamtpersonalrates sowie dem Neuköllner Bezirksbürgermeister Bodo Mangold (CDU) und den geladenen Geschäftsleuten der Hermannstraße kam kein Widerspruch. „Die Erfolge sagen uns, daß das Berliner Modell der richtige Weg ins Jahr 2000 ist“, sagte Manegold. Sein Kreuzberger Amtskollege Franz Schulz (Bündnis 90/Grüne) war nicht eingeladen worden.
Als der Probelauf im Februar begann, hatte es den Anschein, daß Computerprobleme die überfällige Reform zum Scheitern bringen könnten. Die Probleme kamen den Gegnern des Modells innerhalb der Polizei sehr gelegen. Denn die Reform bedeutet nicht nur, daß die Schutzpolizisten eigenverantwortlich in die Kriminalitätsbekämpfung eingebunden werden, sondern auch, daß der starre 12-Stunden-Schichtdienst durch flexiblere Arbeitszeiten von acht bis zehn Stunden ersetzt wird. Wenn die „chaotischen Zustände“ aufgrund der Software-Problme nicht deutlich minimiert würden, so die damalige Drohung der einfußreichen Gewerkschaft der Polizei (GdP), „steigt die GdP aus dem Modell aus“.
Zu Beginn „hat es eine ganze Menge Rauch gegeben“, sagte Saberschinsky gestern. Inzwischen seien aber auch die Kritiker von den Neuerungen überzeugt. Als Beweis, daß die Akzeptanz in der Behörde gewaltig gestiegen ist, verwies der Leiter der Direktion 5, Klaus Karau, auf den Krankenstand. In der kritischen Phase im März waren 143 von 1.036 Mitarbeitern der Direktion krank, jetzt seien es nur noch 97 Leute. Laut Saberschinsky ist die Aufklärungsquote in der Direktion von 47,2 Prozent auf 53,4 Prozent gestiegen und hat damit einen „Spitzenwert“ unter dem sieben Berliner Direktionen erreicht.
Eine Geschäftsinhaberin von Grieneisen bestätigte, daß sich ihre Kundschaft, „die alten Herrschaften“, wieder sicherer fühlten. Dem Betriebsratsvorsitzenden von Karstadt am Hermannplatz, Hennig Sandau, sind noch die „agressiven Bettler“ ein Dorn im Auge. Er wünschte sich ein härteres Vorgehen der Richter gegen Ladendiebe, die bei Karstadt bei der Beschaffungskriminalität erwischt würden.
Nur vier Bürger haben sich laut Karau über die Polizeireform beschwert. Darunter eine Frau, die sich durch die „massive Polizeipräzenz“ eingeschränkt fühlt. „Man hat den Eindruck, daß man sich für ganz alltägliche Dinge rechtfertigen“ müsse und daß „teilweise mehr Polizei als Passanten auf der Straße sind“, zitierte Karau aus dem Brief. Saberschinkys Kommentar dazu: „Ich wünschte mir mehr solche Briefe.“ Aber eine flächendeckende Polizeipräsenz sei personell leider nicht machbar. „Kurz vor den Wahlen“ erlaube er sich den Hinweis, bei dem Kreuzchen darauf zu achten, was die Parteien zum Thema innere Sicherheit zu sagen hätten, machte der der CDU nahestehende Polizeipräsident auf Wahlkampf.
Kritische Stimmen waren bei der Bilanz-Pressekonferenz offenbar nicht erwünscht. Auf Nachfrage der taz zeigte sich der Kreuzberger Bezirksbürgermeister Schulz „irritiert“ darüber, daß er keine Einladung bekommen hatte. „Möglicherweise“, so Schulz, „sollte dadurch vermieden werden, daß die Erfolgsmeldungen kritisch hinterfragt werden.“ Plutonia Plarre
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