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Mafiotische Anmutung

■ „Dokumentarisch arbeiten“ – eine trotz 3sat-typischen Proporzdenkens lobenswerte Reihe startet mit einem Künstlerportrait (So., 21.15 Uhr)

Ein nobles Unterfangen: Zu teils guten Sendezeiten zeigt 3sat elf dokumentarische Arbeiten, die zwischen 1966 und 1998 entstanden sind. Dies ist, angesichts des Schattendaseins, das dieses Genre im Fernsehen gewöhnlich fristet, kaum genug zu loben. Zumal die Gespräche mit einigen Autoren Einblicke in Methode, Ziel und Selbstverständnis des Dokumentarischen verschaffen.

Den Anfang macht „Heritage“, ein Künstlerportrait, 1980 gedreht von den Schweizern Reni Mertens und Walter Marti. „Heritage“ ist so etwas wie ein Schweizer Experimentalfilm: freundlich, gediegen und konfliktlos. Wir sehen den Maler und Komponisten Peter Mieg in seinem Haus, beim Frühstück, bei der Zeitungslektüre, beim Blick durch geöffnete Fenster in den Garten. Als ästhetische Klammer dient Miegs Musik. Das einstündige Portrait kommt ohne Worte aus, trotzdem glückt die Zeichnung eines bürgerlichen Künstleridylls, das vollkommen in sich selbst zu ruhen scheint, aus Bild, Musik und Rhythmus. Nie kommt die Kamera dem Protagonisten zu nahe, stets bleibt die „Liebesdistanz“, die Mertens und Marti zu ihrem Blick machen. Ein sympathischer, aber auch ein bißchen verstaubter Film. Manchmal wünscht man sich, daß zwischendurch Alexander Kluge Peter Mieg ein paar bohrende, neugierige Fragen nach seiner Kompositionstechnik oder seinem Verhältnis zur Mongolei stellen würde.

Die Film-Auswahl bestimmt 3sat-typisches Proporzdenken: Schweizer, deutsche und österreichische Autoren müssen natürlich irgendwie ausgewogen vorkommen. Es gäbe bessere Kriterien, thematische oder artistische. So wirken die Beziehungen, die in dieser Reihe entstehen, eher zufällig: etwa der Vergleich zwischen den Interviewfilmen von Egon Humer und Hans-Dieter Grabe.

Es hat eine vermeidbare, leicht mafiotische Anmutung, daß der westdeutsche Dokumentarist Christoph Hübner nicht nur mit drei interessanten Gesprächen (mit Mertens/Marti, Hans-Dieter Grabe und Egon Humer) vertreten ist, sondern auch noch mit zwei Filmen, einem Portrait seiner Arbeiten von Peter Kremski und einem Gespräch über sein Werk, das Dietrich Leder mit Hübner und Gabriele Voss führte. Diese Hübnersche Omnipräsenz steht in keinem Verhältnis zu dessen, mit Verlaub, zweitrangiger Position im deutschen Dokumentarfilm. „Dokumentarisch arbeiten – von und mit Christoph Hübner“ wäre wohl der passendere Titel gewesen.

Gleichwohl ermöglicht die Reihe einen Zugang zu einigen interessanten, wichtigen, guten Filmen. So ist, erstmals im TV, Egon Humers monumentaler, dreistündiger Interviewfilm „Emigration N.Y.“ zu sehen, der zeigt, was aus zwölf Österreichern in den USA wurde, die vor den Nazis fliehen mußten (25. Oktober). Und man kann einen der präzisesten dokumentarischen Filme (wieder-)sehen, die in Deutschland zum Thema Holocaust produziert wurden: „Mendel Schainfelds zweite Reise nach Deutschland“. Hans- Dieter Grabe drehte dieses gleichermaßen nüchterne und anrührende Portrait eines Überlebenden 1972. Damals wurde der Film fast zum Skandal: Der ZDF-Intendant fürchtete, so etwas könne man dem Gebührenzahler nicht zumuten. Dann geriet der Film in Vergessenheit. Er hat auch 25 Jahre später nichts an Intensität eingebüßt (1. Oktober). Stefan Reinecke

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